Das Feuer bringt den Tod: Thriller (German Edition)
unweit der Kuppel des Reaktorgebäudes waberte dichter Rauch.
Dann heulten Sirenen.
18
Thorsten Klaws spürte das, was er jedes Mal spürte, wenn ein Feuer schließlich erloschen war: eine grenzenlose Mattigkeit, die sich von einem winzigen Punkt hinter seiner Stirn unaufhaltsam durch seinen ganzen Körper ausbreitete. Ernahm den Helm ab und wischte sich den Schweiß von der Stirn.
Vom Hochsitz war nicht mehr viel übrig. Nur die Pfosten ragten noch wie verbrannte Zahnstocher aus dem löschwassergetränkten Waldboden. Der Rest war ein großer Haufen aus feuchtglänzendem, verkohltem Holz.
Klaws kam seinen vorerst letzten Pflichten als Zugführer bei diesem Einsatz nach und erteilte einige Anweisungen an seine Männer, die im Grunde überflüssig waren. Seine Jungs wussten selbst, wie man die Schläuche zusammenrollte und die Ausrüstung verstaute. Er ging die paar Schritte über den staubigen Feldweg zu seinem Kollegen von der Werksfeuerwehr des AKWs.
Marco Gabel lehnte gegen den Kühler eines jener kleinen Löschfahrzeuge, die auf Klaws, verglichen mit seinen eigenen Wagen, immer ein bisschen wie Matchboxautos wirkten. »Ihr wart ganz schön fix«, lobte Gabel die Freiwillige Feuerwehr der Gemeinde Güstrin.
»Ihr auch«, gab Klaws zurück, auch wenn er die Sache anders sah. Aber was hätte er davon gehabt, einen Streit mit Gabel zu provozieren? Er konnte ihn einfach nicht leiden. Schon seit ihrer ersten Begegnung bei einem der regelmäßig stattfindenden Koordinationstreffen der beiden Feuerwehren. Gabels Haut war ihm zu sonnenstudiogebräunt, seine Haare zu blondiert, seine Muskeln zu sehr aufgepumpt. Er fand, Gabel hatte immer etwas von einem Dressman für Bademoden, der sich für ein Shooting als Feuerwehrmann verkleidete.
»Bei uns ist ja normalerweise nicht viel los.« Gabel grinste. »Wir sind für jede Abwechslung dankbar.«
Klaws lächelte der Höflichkeit halber zurück. Das war noch so ein Punkt. Er wollte gar nicht genau wissen, wie viel Kohle Gabel dafür einstrich, sich den Großteil der Zeit gepflegt die Eier zu schaukeln. Es war definitiv mehr als das, was er selbst bei seinem eigentlichen Job als stellvertretenderFilialleiter im Baumarkt verdiente. Viel mehr. Fair war jedenfalls etwas anderes.
»Jetzt habe ich wenigstens mal gesehen, womit ihr euch in letzter Zeit so abrackert.« Gabel nickte in Richtung des abgefackelten Hochsitzes. »Das wievielte Mal hat euer Feuerteufel jetzt schon zugeschlagen? Das siebte Mal? Das achte?«
»Das war das zehnte Mal.«
»Oh, Jubiläum, hm?« Gabel lachte meckernd. »Was machen die Bullen dagegen?«
Klaws packte seinen Helm fester, weil er anders nicht dafür garantieren konnte, dass ihm trotz aller Erschöpfung nicht doch die Hand ausrutschte, wenn das so weiterging. »Was sollen die schon machen? Wachposten aufstellen? Vor jeder Scheune und jedem Schuppen und jedem Hochsitz?«
Gabel zuckte die Achseln. »Keine Ahnung. Aber jetzt kriegen sie wahrscheinlich deutlich mehr Druck, irgendwas dagegen zu unternehmen.«
»Wieso?«
»Eine Brandstiftung so dicht am Kraftwerk?« Gabel verzog den Mund, als hätte er sich in den Finger geschnitten. »Das sieht niemand gern.«
»Stimmt«, pflichtete ihm Klaws zähneknirschend bei. »Das war ziemlich bescheuert, hier Feuer zu legen.« Er fragte sich stumm, wie der dicke Möhrs und der dürre Holt auf diesen neuen Fall reagieren würden. »Aber ich denke mal, die Bullen haben im Moment andere Sorgen.«
»Der Hausbrand vorgestern?«
»Jepp.«
»Warst du dabei?«
»Nein. Ich war mit meiner Freundin in Hamburg.« Der kleine Versprecher hob seine triste Laune ein wenig. »Oh, oh. Wenn sie das gehört hätte. Ich meine natürlich: Ich war mit meiner Verlobten in Hamburg.«
»Über Nacht?«
»Ja. Sie hat mich in ein Musical mitgeschleift … König der Löwen.« Er winkte ab. »Nette Kostüme, schlimme Musik.«
»Für mich wäre das glatt ein Grund, die Hochzeit abzublasen, Mann. Tja, wo die Liebe hinfällt …«
Klaws konzentrierte sich ganz auf die Überreste des Hochsitzes und die Erinnerung an das Feuer, um nicht dem Impuls nachzugeben, Gabel den Helm ins Gesicht zu schlagen. Der Typ war ein Schwätzer. Er hatte nicht die geringste Ahnung, was Tina ihm bedeutete. Wo er ohne sie stünde. »Ich würde lieber sterben, als ihr wehzutun.«
Gabel schaute ihn schief an. »Hast du das aus einem Film?«
»Das ist mein voller Ernst«, sagte er leise. Noch ein Wort …
»Oh.« Gabel deutete den Feldweg hinunter.
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