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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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Forgan“, sagte ich erschaudernd, „kommt mit. Verlaßt diesen fürchterlichen Ort …“
    „Kind, dazu bin ich zu alt, und ich werde hier gebraucht. Woher sollten die armen Lieben eine andere Forgan bekommen, auch wenn sie verrückt ist.“
    „Ihr seid nicht verrückt!“
    „Wer weiß, wenn ich in Itsik bleibe?“
     
    Es war ein Tag gegen Frühlingsende, ein Tag des Nieselregens. Ich trat meinen Dienst als Nachtwächterin an und fand Cos, einen männlichen Krankenpfleger vor, der nach einer Operation aufräumte. Ich wußte, daß es eine schwere gewesen sein mußte, denn Gwell Nu saß erschöpft auf einer Schlafplattform und hatte die Finger verschränkt.
    „Paß auf ihn auf“, sagte Cos. „Sie möchte ihn durchbringen, aber trotz all ihrer Geschicklichkeit geht der arme Teufel wohl drauf.“
    „Wo wurde er operiert?“
    „Das linke Bein wurde unterhalb des Kniegelenks amputiert. Eine alte Kettenwunde, die Brand bekam.“
    Wir waren in dem Operationszelt: eigentlich in keinem Zelt sondern in einem ovalen Haus mit geflochtenem Dach, wie alle Krankenhäuser. Ich holte kühlende in Kräuterwasser ausgewrungene Lappen und legte sie dem Patienten auf die Brust. Einem alten männlichen Wesen ohne Clanembleme. Ein Tuch, getränkt mit Schlafmitteln, bedeckte noch immer sein Gesicht. Ich überlegte mir vage, ob es Neueinlieferungen gab, und ging dann meiner Wachtätigkeit nach. Ich pendelte zwischen den Krankenhäusern hin und her und teilte Erfrischungsgetränke aus oder machte es irgendeinem Patienten bequemer. Ich kehrte zu dem Amputierten zurück und befaßte mich wieder mit ihm. Er lag wie ein Toter da, aber seine Haut war kühl, trocken und gesund.
    In der einsamsten Stunde der Nacht, wenn Wolken die Ferne Sonne verdecken, ging ich wieder zum Operationszelt und traf Gwell an, die sich dort ausruhte. Sie hatte ein süßes Getränk gebraut.
    „Ich glaube, er wird am Leben bleiben“, sagte sie. „Er ist so kräftig wie Telve der Geistesheld.“
    „Ein neuer Gefangener?“
    „Nein, meine Liebe“, grinste sie, „kein besonders neuer. Er ist einer von den Spezialfallen.“
    Mein Interesse nahm zu. Wir standen neben der Schlafplattform, und Gwell Nu hob die Decken hoch und musterte den mit Heilpflaster verbundenen und eingesalbten Stumpf des linken Beins. Ich starrte die kräftigen Arme mit Metallreifen, das Lederwams an; etwas klingelte in meinem Kopf. Gwell Nu bemerkte mein Starren, streckte die Hand aus und entfernte das Tuch über seinem Gesicht. Ich spürte, wie der Atem durch meine Zähne pfiff. Es war unmöglich, aber es trat doch ein. Alle Glieder waren in die Kette eingeschmiedet worden, und ich sah in diesem Augenblick mein Schicksal klar und unentrinnbar vor mir. Der Sondergefangene hatte ein kräftiges hübsches Gesicht mit grauen
    Haarbüscheln auf den Backen. Ich hatte ihn mehr als einmal reden hören. Es war Tsorl-U-Tsorl, der ehemalige Abgesandte von Tsagul.

 
Der Weg in die Freiheit
     
    Gwell Nu hörte mit verschleierten Augen zu, als ich ihr die Identität des Gefangenen eröffnete. Ich war voller Pläne, verriet sie aber nicht alle, dazu war kein Anlaß: sie ahnte, was ich tun wollte. Wir verbrachten noch eine Nacht und noch eine mit der üblichen Arbeit im Krankenhaus. Tsorl-U-Tsorl durfte nicht völlig erwachen.
    „Was nach einer Operation tödlich wirkt“, erklärte Gwell Nu, „ist eine Art körperliche Angst. Er hat Schlaf nötig.“
    Ich saß neben der Schlafplattform des Abgesandten, und ein- oder zweimal ruhte sein Blick auf mir. Er sprach mit einer tiefen polternden Stimme abgebrochene Wörter und Sätze aus seinen Träumen. Er schrie: „Gargan, du Teufel!“ und deutete einen Schlag mit seiner offenen Hand an. Gwell Nu beobachtete ihn.
    „Siehst du … er befindet sich in der heimlichen Hand des Tiath Gargan, des Würgers!“ flüsterte sie.
    Der Name des Großen Ältesten der Pentroys versetzte mich in Schrecken.
    „Gwell Forgan, die Flöße laufen in drei Tagen aus …“
    „Ich höre dich nicht, meine Liebe, ich höre dich nicht“, zirpte sie.
    Sie stürzte durch die Krankenhäuser davon, wobei ihre Instrumente an ihrem abgetragenen Galagewand herumschlingerten. Verrückt oder nicht, Gwell Nu konnte einen verrückt machen. Ich saß neben dem Abgesandten, und er murmelte leise: „Tsabeggan … das Feuer, das am nächsten liegt …“, als hätte er meine Gedanken gehört.
    In der nächsten Nacht, als ich die Wache antrat, dachte ich, daß eine andere Operation

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