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Das Feuer das am Nächsten liegt

Das Feuer das am Nächsten liegt

Titel: Das Feuer das am Nächsten liegt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cherry Wilder
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stattgefunden hatte, denn Gwell Nu hatte sich auf einer Schlafplattform erschöpft zusammengerollt. Sofort rief sie mich.
    „Ich habe Schwarzboß Bericht über den Zustand des Sonderpatienten erstattet.“
    „Er ist sehr kräftig. Es ist die beste Operation, die Ihr je ausgeführt habt; er wird am Leben bleiben.“
    „Ich bin nicht ganz so hoffnungsvoll.“ Sie grinste.
    Plötzlich ließ ein Wutausbruch sie erzittern.
    „Er ist verdammt“, sagte sie. „Meine Arbeit war für nichts und wieder nichts. Er ist zum Tode gezeichnet … die Strafzeit wird ‚dahinwelken’. Er wird nicht verurteilt werden, sondern einfach sterben …“
    „In der Tat“, verkündete sie, „glaube ich, obwohl ich meine gute Nachtwächterin vermissen werde, daß dieser Tsorl in eben dieser Nacht sterben soll.“
    „Ach, Gwell Nu!“ Ich begriff ihren Plan, und er erfüllte mich mit Aufregung und Dank.
    Wir waren die ganze Nacht allein in den Krankenhäusern, und es gelang uns mühelos. Tsorl-U-Tsorl war erstaunlich leicht zu tragen; wir legten ihn in einen kleinen Raum, in dem Gwell Nu manchmal schlief und ihre Arzneien aufbewahrte. Im ersten Licht der Großen Sonne rollte ich einen Totenkarren zur Sondereinfriedung, und ein verschlafener Wächter führte mich zu dem Begräbnisplatz dahinter. Kein Geräusch, keine Bewegung drang aus den anderen Hütten dieses Blocks, und ich nahm an, daß Tsorl hier allein gewohnt hatte.
    Der Begräbnisplatz lag hinter der Einfriedung auf einem dem Meer abgerungenen Streifen Land. Der Boden war sandig und weich, nur ein paar Kriechpflanzen wuchsen darauf; immer wehte ein Wind vom Meer her, und einige Seevögel scherten darüber hinweg.
    Die Gräber der Sonderfälle waren kaum gekennzeichnet, aber auf eins, nicht das älteste, hatte jemand ein rot-orangefarbenes Runenband gelegt … das Feuersymbol. Ich wußte, wer darin lag und beschwor ihren stolzen wahnsinnigen Geist herauf. „Wahnsinnige Elbin … Nahoo, Enu Elbin … Schenk uns deinen Segen, alte Feuermutter, denn wir wollen zu den Feuerinseln gelangen!“
    Der Wächter half mir dabei, das Grab vorzubereiten: ich hob eine tiefe Grube aus, und wir rollten einen Metallbehälter in einem Wasserbad heraus. Wir schütteten die dampfende Mischung aus Feuerstein und Lehm hinein. Dann nahm ich das lange Fellbündel, das Gwell Nu so gut „gegen Ansteckung“ gefeiht hatte, in meine Arme und legte es in die Grube. Der Wächter ging und beklagte sich darüber, daß die ganze Angelegenheit ihm den Appetit verdorben hätte. Ich begrub das Lederbündel, das nichts anderes als Bara-Zweige enthielt, so rasch wie möglich. Gwell Nu hatte ein Runenband vorbereitet, und ich legte es auf das Grab. Das Band lautete ganz einfach: „Entlassung eines Gefangenen“, ein üblicher Grabfaden in Itsik, und zeigte ein Symbol von Tsorls Namen … wieder das Feuersymbol, so daß nun zwei dieser Runen nebeneinander lagen. Ich deutete das als gutes Omen.
    Viel war noch zu tun. Ich wartete, bis die Tagesschichten frühstückten, dann ging ich in die Küche und steckte mir kühn Nahrungsmittel ein. Sollten Fragen gestellt werden, würde ich darauf antworten, daß Gwell Nu ein Sonderkräftigungsessen für die Krankenhauspatienten angeordnet hatte, was ihr gelegentlich erlaubt war. Aber niemand stellte Fragen; ich hätte mich mit zwei vollbeladenen Karren davonmachen können. Ich nahm meinen vollbeladenen Karren und rollte ihn zu dem Krankenhaus, dann bog ich ab und versteckte ihn in einem Gebüsch an der Einfriedung.
    Schließlich ging ich zu meinem eigenen Schlafplatz und schlief mit den anderen Schichtarbeiterinnen. Ich arbeitete immer zwei Schichten lang, so daß ich zwei Schichten lang schlafen durfte, also den ganzen Tag über. Eine ganze Weile wälzte ich mich in brennender Erwartung der Nacht herum und stand etwa bei Untergang der Großen Sonne auf. Ich ging zu den Kais, als sie am belebtesten waren.
    Ich hatte seit meiner Ankunft in Itsik die Abfallflöße oft gemustert, aber als ich sie jetzt betrachtete, überfiel mich Angst. Da lagen zwei Flöße, stämmig und lang, ungefähr zehn Leiber lang in der Breite und zwanzig Leiber lang in der Länge. Beide waren bereits mittschiffs vollbeladen mit einem Haufen von Essensabfällen innerhalb eines grobgeflochtenen Zaunes aus Zweigen. Fässer mit stinkendem Abfall aus den Gerbereien standen in ihrer Mitte; an ihren Seiten häuften sich dicke Bündel von Bara-Stroh, von den rauhen Fasern, die nach der Ölabzapfung an den

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