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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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man sagt tatsächlich, er wirke Wunder. Aber erst jetzt, da er dich hierher geführt hat, glaube auch ich daran. Sieh ihn dir genau an. Was siehst du?«
    Ruth schürzte die Lippen. »Einen Stein eben. Von der Farbe dreckigen Kandiszuckers. An den Rändern wie mit schwarzer Schlacke beklebt. Scharfkantig an der einen Seite, als wäre er beschnitten worden. An der anderen Seite griffig, wie ihn die Natur geschaffen hat.«
    Margaret Salden lächelte. »Er ist ein Teil des ›Feuers der Wüste‹, ein Rohdiamant.«
    Ruth riss die Augen auf, starrte auf den Stein. »Ein Diamant? So groß? Mein Gott, da trage ich die ganze Zeit die Lösung all meiner Probleme um den Hals wie einen Mühlstein?«
    Margaret nickte. »Das ist manchmal so.«
    »Was?«
    »Dass die Lösung unserer Probleme uns sehr unglücklich macht, uns wie einen Stein zu Boden zieht. Du hast ihn von Eloisa, nicht wahr?«
    »Ja, Mama Elo gab ihn mir, als ich von Salden’s Hill weggegangen bin.«
    »Sie ist eine wunderbare Frau, steckt vom Kopf bis zu den Zehen voller Weisheit. Was hat er dir erzählt? Der Stein, meine ich.«
    Ruth kniff die Augen zu, um sich besser konzentrieren zu können, dann fasste sie ihre Traumbilder zusammen.
    »Du kannst dem Stein Glauben schenken«, sagte Margaret, nachdem ihre Enkelin geendet hatte. »Alles, was du gesehen hast, ist genau so geschehen.«
    »Nur eins weiß ich nicht. Wie bist du an das ›Feuer der Wüste‹ gekommen?«
    Margaret seufzte. »Es war eine unruhige Zeit damals. Im ganzen Land gab es die Aufstände der Nama und Herero. Obwohl auch wir zu denen gehörten, die sich auf Hereroland eine eigene Farm aufgebaut hatten, wussten wir doch, dass die Schwarzen mit ihren Forderungen recht hatten. Doch wer gibt schon her, was er einmal mit Geld bezahlt hat? Selbst wenn es viel zu wenig Geld war …
    Eines Tages – ich war schon schwanger und ritt trotzdem die Weiden ab, da unsere schwarzen Farmgehilfen sich weigerten, weiter für uns zu arbeiten – fand ich einen verletzten Nama. Er hatte einen Schuss ins Bein bekommen und schien mir auch innere Verletzungen zu haben. Ich wollte einen Arzt holen, doch er verbot es mir. Also schleppte ich ihn in die alte Viehtreiberhütte und versorgte ihn, so gut ich konnte. Er war noch so jung, er wollte leben, verstehst du? Außerdem war er ganz sicher, dass seine Stammesbrüder ihn schon sehr bald holen würden. ›Ich habe etwas, ohne das sie nicht sein können. Sie werden sehen, Misses, schon morgen holen sie mich nach Hause‹, sagte er und wirkte dabei so zuversichtlich, dass ich ihm Glauben schenkte.
    Aber unser Gebiet war mittlerweile von den Herero besetzt. Die deutschen Soldaten errangen zwar täglich Gebiete dazu, die wurden ihnen in der Nacht jedoch von den Schwarzen wieder abgenommen. Es war ein heilloses Durcheinander. Keiner wusste mehr genau, wo die Grenzen verliefen. Es gab Orte, an denen Nama und Herero wie Brüder Seite an Seite gegen ihren gemeinsamen Feind kämpften. An anderen Orten richteten sie die Waffen gegeneinander. Und dazwischen lagerten immer wieder deutsche Truppen, die wahllos um sich schossen und nichts anderes im Sinn hatten, als sämtliche Schwarze in die Wüste zu treiben, damit sie dort verdursteten. Und da lag dieser junge Nama in unserer Hütte. Seine Augen leuchteten im Glauben an die Zukunft. Er war nicht willens, hier zu sterben.
    Ich tat, was ich konnte, das musst du mir glauben. Eloisa half mir. Sie braute Tränke und stellte Salben aus Wüstenkräutern her, kochte leichte Speisen, schlachtete bald jeden zweiten Tag ein Huhn, um dem Mann mit kräftigender Brühe wieder auf die Beine zu helfen. Einmal fuhr ich sogar zur Apotheke nach Gobabis und besorgte mir unter einem Vorwand Penicillin. Aber nichts half. Der junge Nama wurde mit jedem Tag schwächer. Sein Bein hatte sich entzündet, färbte sich an den Rändern schon schwarz. Er halluzinierte im Fieber, aber sein Glauben lebte.
    Ruth, du hättest seine Augen sehen sollen! Alles in seinem Inneren war entzündet, zerstört. Einzig seine Hoffnung hielt ihn am Leben. Ich hätte niemals gedacht, dass so etwas möglich ist.«
    Ruth sah, dass ihrer Großmutter bei der Erinnerung an die Ereignisse die Tränen in die Augen stiegen. Sie nahm Margarets Hand in die ihre und erschrak, wie kalt diese war.
    Sie reichte der Großmutter den Wasserbecher. Erst als die alte Frau ihre Fassung wiedergefunden hatte, fragte sie leise: »Und wie ging es weiter?«
    »Rings um die Farm tobten Kämpfe. Es war

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