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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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ich aufgeben müssen. Wir wären beide gestorben. Am Hunger oder unter den Schüssen der Verfolger.«
    »Aber dann bist du doch nach Lüderitz gekommen, nicht wahr?«
    »Ja. Ich konnte einfach nicht mehr. Noch immer ging alles drunter und drüber. Noch immer war kein Ende meiner Flucht in Sicht, nur meine Kräfte waren erschöpft. Dazu dieser Stein …
    Glaube mir, Ruth, es verging wohl kein Tag, an dem ich ihn nicht verflucht habe. Wegen dieses Steins musste ich meine kleine Tochter verlassen, wegen dieses Steins musste mein Mann sterben, und wegen dieses Steins war ich auf der Flucht. Ich wollte nichts, als das ›Feuer der Wüste‹ endlich loswerden. Also schmiedete ich einen Plan. Ich wandte mich in Lüderitz an die Deutsche Diamantengesellschaft. Dort behauptete ich, den Stein verkaufen zu wollen. Ich konnte das Glitzern in den Augen dieses Herrn sehen. Er zeigte seine Gier so unverhohlen, dass mir angst und bange wurde.
    Er könne mir nicht sofort sagen, welchen Wert der Diamant habe, er müsse sich in Europa erkundigen, sagte er. Das würde dauern, ein paar Tage nur, aber es ginge eben nicht sogleich. Ich solle den Stein dalassen. Im Tresor sei er sicher. Er drängte und bedrängte mich, drohte mir sogar verhohlen. Ich sagte, ich wisse gar nicht, ob ich das Recht hätte, den Stein zu verkaufen, er gehöre mir ja nicht, sei mir nur anvertraut. Der Mann überlegte eine Weile, dann ließ er den Rechtsanwalt des Unternehmens kommen, dazu einen Notar. Schneller, als ich schauen konnte, stellte mir der Notar eine Urkunde aus, die belegte, dass ich die Eigentümerin des ›Feuers der Wüste‹ sei. Die Gesetze waren so formuliert, dass ich nach dem geltenden Recht tatsächlich Besitzerin des Diamanten war. Schließlich hatte ich ihn auf meinem Land, auf Salden’s Hill, bekommen. Dass ein Nama mir den Stein gegeben hatte, spielte keine Rolle. Es war mein Land, auf dem der Mann gestorben war, also war ich nach den damals geltenden Gesetzen auch rechtmäßige Erbin und als solche allein berechtigt, den Stein zu verkaufen.
    Ich tat, als würde mich das sehr freuen, weigerte mich aber, das ›Feuer der Wüste‹ herzugeben. Ich würde in ein paar Tagen wiederkommen, versprach ich. Dann nahm ich die Besitzurkunde und verschwand. Ich muss meine Rolle als hilflose, ratlose Frau sehr überzeugend gespielt haben; jedenfalls schenkten mir die Diamantenhaie Glauben. In Lüderitz streute ich dann das Gerücht, ich wolle einen Rohdiamanten verkaufen. Ich ging zu verschiedenen Händlern und stellte Fragen. Ja, ich ging sogar zu einem Reeder und erstand, nachdem ich meine Uhr und meinen Schmuck verkauft hatte, ein Billett für ein Schiff nach Hamburg.
    Dann sah ich ihn auf einmal, den Mann, der meinen Mann erschossen hatte. Er ging durch Lüderitz, als hätte er nichts zu verbergen, als gehöre der Tag, als gehöre die ganze Welt ihm. Ich ging an Bord des Schiffes, belegte meine billige Kabine, indem ich einen alten Koffer dort deponierte, den ich zuvor auf einem Markt erstanden hatte. Wenig später sah ich den Mann zum zweiten Mal. Er stand mit dem Eigner des Schiffes am Kai, sprach auf ihn ein.
    Kurz bevor das Schiff ablegte, schlich ich mich von Bord. Ich verließ Lüderitz im Schutze der Nacht und machte mich auf den Weg zur Hottentotsbai. Dort lebten Verwandte von Eloisa. Ich hoffte, sie würden mir Unterschlupf gewähren.«
    »Wolltest du nach Deutschland?«, unterbrach Ruth die Erzählung ihrer Großmutter.
    Margaret Salden schüttelte den Kopf. »Nein, von Anfang an hatte ich geplant, die Schiffspassage nur als Ablenkungsmanöver, als falsche Fährte zu gebrauchen. Aber ich ahnte nicht, wie nah mir der Mann schon auf den Fersen war.
    Ich will dich jetzt nicht mit den Strapazen dieser Wüstenwanderung langweilen, Ruth, dafür ist später noch Zeit. Nur so viel noch: Ich blieb bei den Nama und wartete darauf, dass Frieden kommt. Das ›Feuer der Wüste‹ trug ich stets bei mir. Ich hörte, dass die Menschen in Lüderitz davon ausgingen, ich sei nach Hamburg gegangen, und dass sie nun dort nach mir und dem Diamanten suchten, allen voran die Deutsche Diamantengesellschaft. Jeden einzelnen Tag sehnte ich mich nach meiner Tochter. Dabei merkte ich nicht, dass dieser Stamm hier im Laufe der Zeit zu meiner Familie wurde. Als endlich die Waffen schwiegen, waren Jahre vergangen. Ich blieb hier.«
    »Warum bist du nicht irgendwann zurück nach Salden’s Hill gegangen? Warum hast du Rose nicht später zu dir geholt?«, fragte

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