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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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abzusehen, dass es nicht mehr lange dauern konnte, bis die Herero oder die Deutschen kommen würden. Und eines Tages war es so weit. Als der junge Schwarze die ersten Geschützdonner hörte, verlosch sein Glauben. Ich konnte zusehen, wie er verfiel, blass und bleicher wurde, schwach und schwächer. Dann schickten die Deutschen Späher auf Pferden aus. Der Schwarze hörte das Schnauben der Tiere bis in sein Versteck und wusste, dass seine Zeit gekommen war. Die Zeit aufzugeben, Zeit zum Sterben, aber auch die Zeit der Einsicht. Er gab mir ein Päckchen und beschwor mich, das Päckchen wie mein Leben zu hüten. Eines Tages, wenn Frieden herrscht, so sagte er, und Gerechtigkeit für Schwarze und Weiße, dann solle ich das Päckchen vernichten.«
    »Und in dem Päckchen war das ›Feuer der Wüste‹?«
    »Das ist richtig. Ich sah es erst, als ich wieder im Farmhaus war. Dein Großvater Wolf, dem der letzte Wunsch eines Sterbenden noch heilig war, versteckte den Diamanten in einem frisch ausgehobenen Brunnenloch. Dort sollte er bleiben, bis endlich Frieden war.
    Wir wissen nicht, wer uns und den jungen Nama letztlich verraten hat. Auf unserer Farm arbeiteten damals nicht nur Herero, sondern auch Damara, Owambo, Nama und sogar ein paar San. Einer von ihnen muss den Verletzten entdeckt und mit den Deutschen gemeinsame Sache gemacht haben. Vielleicht war es auch unser deutscher Verwalter. Wir haben es nie erfahren. Jedenfalls fanden wir die Leiche des jungen Schwarzen am nächsten Tag. Man hatte ihn entmannt, ihm die Augen ausgestochen, die Zunge abgeschnitten und die Zähne ausgeschlagen. Eloisa half Wolf und mir, ihn so zu begraben, wie es sich für einen Nama gehörte.
    Zwei Tage später brachte ich meine Tochter zur Welt. Währenddessen wurde rings um die Farm weitergekämpft. Die Schlachten entfernten sich von Salden’s Hill, kamen wieder näher, verstummten für ein paar Stunden, um danach umso heftiger auszubrechen. Eine ganze Zeit verging, aber in dieser Zeit wurden immer wieder Fremde auf der Farm gesichtet. Fremde, die nicht wegen der Aufstände dorthin getrieben worden waren …
    Und dann kam die Nacht, die mein Leben veränderte. Eloisa berichtete, man plane einen Überfall auf Salden’s Hill. Wolf lachte darüber, doch Eloisa bedrängte uns, die Farm zu verlassen. Schließlich gab Wolf nach. Er holte das ›Feuer der Wüste‹ aus dem Versteck im Brunnenloch. Und dann ging alles rasend schnell. Zuerst kamen die Rebellen, dann die Soldaten. Sie steckten das Haus an, töteten die wenigen Arbeiter, die uns noch geblieben waren. Wolf, dein Großvater … Er … Er …« Margaret konnte nicht weitersprechen. Tränen erstickten ihre Stimme.
    Es dauerte eine Weile, in der Ruth ihr sanft den Rücken streichelte, bis sie ihre Worte wiederfand. »Er wurde erschossen, als er den Stein barg. Erschossen von einem Weißen. Noch heute sehe ich das Gesicht des Mörders vor mir. Ich könnte es malen, jede einzelne Linie seines Gesichtes. Seinen Hass. Seine Gier.« Sie unterbrach sich, trank ein paar Schlucke, dann sprach sie weiter: »Ich rettete den Stein, barg ihn an meinem Herzen. Ich wusste, dass ich von Salden’s Hill fortmusste. Ich musste fort, um das Leben meiner Tochter zu retten.«
    »Warum hast du Rose nicht mitgenommen?«
    Margaret schüttelte den Kopf. »Sie war so winzig und zart. Es wäre unmöglich gewesen, gemeinsam mit ihr zu fliehen. Sie wäre dabei gestorben. Ich hatte keine Ahnung, woher ich die nächste Mahlzeit bekommen sollte, woher Wasser, woher ein Nachtlager. So ließ ich sie bei Mama Eloisa. Ich wusste, dass sie meine Rose mit ihrem Leben verteidigen würde. Und ich war mir sicher, dass ich nicht lange auf der Flucht sein würde. Schon bald würde ich zurückkehren, um Rose zu holen. Verstehst du, Ruth, mein Leben war bedroht. Wenn Rose bei mir geblieben wäre, hätte das auch ihren Tod bedeuten können.«
    »Du bist zu Pferd geflohen, während das Herrenhaus in Flammen stand?«, fragte Ruth. »Ich habe es in meinen Träumen gesehen.«
    Margaret nickte. »Ja, so war es. Ich ritt, ohne zu wissen, wohin. Ich hatte kein Zuhause mehr, und – was noch viel schlimmer war – ich wusste nicht, wer meine Feinde waren. Waren es die Herero, die die Seele der Nama rauben wollten? Waren es abtrünnige Nama, die den Stein verkaufen wollten? Oder waren es die Deutschen, die hinter mir her waren? Ich wusste nicht, wem ich trauen konnte, versteckte mich in der Wüste, mied menschliche Siedlungen. Mit Rose hätte

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