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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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klingelte, jemand ließ den Motor eines Autos aufheulen.
    »Na, Sie sind eine Gotcha, richtig?« Ein freundlicher älterer Herr sprach Ruth an.
    »Wenn Sie damit ›Landei‹ meinen, haben Sie recht«, erwiderte Ruth und fuhr sich nervös mit der Hand durchs Haar. Sie trug heute eine graue Stoffhose, dazu eine helle Bluse und hatte das Haar im Nacken lose mit einer Spange zusammengefasst.
    »Wohin wollen Sie denn?«, fragte er.
    Ruth kniff leicht die Augen zusammen. Ihre Mutter hatte sie immer wieder vor der Stadt gewarnt und besonders vor den Männern. Doch sie konnte an dieser Frage nichts Verwerfliches finden. »Zur Farmersbank möchte ich«, antwortete sie.
    »Kommen Sie mit mir. Wir teilen uns ein Taxi. Ich muss in dieselbe Gegend.« Er winkte einen Wagen heran.
    »Was machen Sie in Windhoek?«, fragte sie, nachdem sie eingestiegen und sich neben ihn auf die Rückbank gesetzt hatte. »Leben Sie hier?«
    Der Mann schüttelte den Kopf. »Ich komme aus Kapstadt.«
    »Und was wollen Sie in Windhoek?« Ruth betrachtete den Mann genauer. Seine Haut war sehr hell, doch Ruth lebte lange genug in Afrika, um zu sehen, dass er kein reiner Weißer war.
    Er beugte sich zu Ruth. »Es wird wohl etwas Wirbel geben heute in der Stadt. Ich rate Ihnen, kleines Fräulein, fahren Sie zurück auf Ihre Farm, sobald Sie Ihre Bankgeschäfte erledigt haben. Es ist viel zu gefährlich hier.«
    Ruth staunte. »Was ist denn heute?«
    »Hören Sie kein Radio?«
    Ruth schüttelte den Kopf. »Unser Empfänger ist an eine Autobatterie angeschlossen. Meine Mutter mag die Batterie nicht im Haus. Sie verschandelt das Wohnzimmer, meint sie. Also muss ich zum Radiohören in die Maschinenhalle, aber meist bin ich dazu zu müde.«
    Der Südafrikaner lachte auf, wurde aber rasch wieder ernst. »Die Schwarzen machen Ärger. Das ist nicht neu, sie machen immer Ärger. Aber heute sollen ein paar von ihnen umgesiedelt werden. Sie sind dumm, die Schwarzen, sie verstehen die Maßnahme nicht. Statt froh zu sein, dass sie nun untereinander sind und sich unterhalten können, in welcher Sprache auch immer, ihre merkwürdigen Feste und Rituale abhalten und meinetwegen sogar ihre grausige Voodoo-Religion ausüben können, glauben sie, man wolle sie berauben.«
    »Wessen berauben?«, fragte Ruth.
    »Was weiß ich? Ihrer Rechte, ihrer Meinung. Sie haben doch immer und an allem etwas auszusetzen, die Schwarzen. Und gibt es mal nichts an der Regierung zu meckern, dann ist eben das Wetter dran oder die Weißen. An allem, was geschieht, tragen sowieso in ihren Augen die Weißen die Schuld. Schwarz ist das neue Wort für Unschuld, wussten Sie das?« Er lachte Beifall heischend.
    Ruth sah weg. Der Mann wurde ihr zunehmend unsympathisch. Es stieß sie ab, was er sagte und wie er es sagte, und noch mehr, wie er den Mund verzog, wenn er lachte.
    »Ich kenne nur die Schwarzen auf unserer Farm«, sagte sie, vor unterdrücktem Ärger ein wenig harscher, als sie beabsichtigte. »Ich kenne sie seit Jahren, wurde sogar von zwei schwarzen Frauen mit aufgezogen. Ich mag sie, und ich hatte noch nie den Eindruck, dass sie uns an allem die Schuld geben.«
    Der Mann hob die Hand, lächelte nachsichtig und tätschelte Ruth onkelhaft das Knie: »Sie sind eine Gotcha, mein Kind. Hier in der Stadt herrschen andere Regeln und Gesetze als bei Ihnen auf der Farm. Die Schwarzen verstehen was von der Landwirtschaft und von Tieren. Bei Ihnen im Busch gibt es auch niemanden, der sie aufwiegelt, der ihnen erzählt, sie seien nicht schlechter als die Weißen und hätten daher dieselben Rechte.«
    »Bei uns auf der Farm haben alle Arbeiter dieselben Rechte. Es ist egal, welche Hautfarbe sie haben. Hauptsache, die Arbeit wird gemacht.«
    Ruth atmete auf, als der Taxifahrer vor dem Gebäude der Farmersbank hielt. Sie nickte dankend, als der Südafrikaner auf ihren Anteil an den Fahrtkosten verzichtete, hob die Hand zum Gruß und sah dem wegfahrenden Wagen nach. Noch immer wunderte sie sich über den Mann, über das, was er gesagt hatte. Seine Ansicht, Schwarze wären weniger wert als Weiße, belustigte sie beinahe. Das sollte man einmal Mama Elo und Mama Isa sagen! Den Besen würden die beiden nehmen und den Schwätzer mit lauten Flüchen vom Hof jagen.
    Nun, sie würde ihn ohnehin niemals wiedersehen, und es war nicht die richtige Zeit, sich über Männer wie ihn den Kopf zu zerbrechen. Sie hatte Wichtigeres vor. Sie zuckte mit den Schultern und sah an dem prächtigen Gebäude hinauf, über dessen

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