Das Feuer der Wüste
Eingang in goldenen Lettern der Name und das Signet der Bank geprägt waren.
Kaum näherte sie sich der Eingangstür, wurde diese von einem Angestellten in Livree geöffnet. »Guten Morgen, Ma’am«, grüßte er dienstbeflissen.
Ruth zuckte zusammen. Das war nun doch etwas unpassend! Sie war schließlich Farmerin und gewohnt, selbstständig eine Tür zu bedienen! Die große Vorhalle, deren marmorner Boden im Licht der Kronleuchter glänzte, die goldenen Treppengeländer und die roten Teppiche erschienen ihr nicht weniger übertrieben. Aber schließlich, so gestand sie sich ein, gab es auch Farmer, die reich waren. Sehr viel reicher als die Schaffarmer am Rande der Kalahari.
Wie um sich selbst Mut zu machen, straffte Ruth die Schultern und ging hocherhobenen Hauptes zu einem der Schalter. Eine freundliche junge Frau saß dahinter. »Guten Tag, wie kann ich Ihnen behilflich sein?«
Ihr Lächeln war einladend, und Ruth begann sofort, sich sicherer zu fühlen. »Hier, diesen Brief haben wir von Ihnen bekommen.« Sie legte die Kreditkündigung auf den Tisch. »Es muss sich um ein Missverständnis handeln. Mister Claassen hat uns vor drei Jahren in die Hand versprochen, dass der Kredit verlängert wird. Die Kündigung, meinte er, sei nur eine Formsache, um den aktuellen Zinsfuß anzupassen. Ich bin hier, um diese Formsache vor Ort und jetzt zu erledigen.«
Die junge Frau schüttelte bedauernd den Kopf. »Ich fürchte, da kann ich Ihnen nicht helfen. Unsere Vereinbarungen werden in jedem Fall schriftlich fixiert. Nur dann sind sie rechtsgültig. Auf einen bloßen Handschlag hin kann Ihr Kredit nicht verlängert werden. Es sei denn, Sie haben Vermögenswerte, mit denen Sie bürgen können.«
»Einen Augenblick.« Ruth wühlte in ihrer Tasche und zog einen Aktenordner hervor. »Hier ist die Aufstellung unseres Besitzes. Jedes Stück Vieh – wir haben tausendvierhundert Karakulschafe und vierhundert Rinder – und jedes Gerät sind darin verzeichnet. Wir stehen jetzt viel besser da als noch vor drei Jahren.«
Sie wollte der Frau die Unterlagen über den Tisch schieben, doch diese winkte eilig ab. »Wenn Ihre Kreditanfrage abschlägig beschieden wurde, kann ich nichts mehr für Sie tun.«
»Aber warum denn? Und was heißt hier überhaupt Anfrage? Wir haben nicht angefragt, wir hatten eine Vereinbarung.« Ohne es zu wollen, war Ruth laut geworden. Die Bankangestellten hinter den anderen Tischen sahen schon zu ihr herüber. Einer stand sogar auf und fragte seine Kollegin, ob sie Hilfe brauche.
Die Frau winkte ab. »Nein, alles in Ordnung.« Dann faltete sie die Hände vor sich auf der Tischplatte und sah Ruth entschlossen an. »Ich kann nur wiederholen, dass wir Ihnen nicht helfen können. Die wirtschaftliche Lage hat sich verändert. Die Nachfrage aus Europa nach Karakulwolle ist zurückgegangen. Die Entwicklung Ihrer Farm ist daher zwangsläufig rückläufig – auch, wenn Sie davon jetzt noch nichts spüren. Die nächsten Jahre werden für alle Schaffarmer schwer. Eine einzige lange Trockenzeit reicht aus, um Ihre Farm in den endgültigen Ruin zu treiben. Sie werden doch verstehen, dass wir Ihnen unter diesen Umständen keinen weiteren Kredit geben können!«
Sie nickte Ruth noch einmal zu, dann rief sie bereits den nächsten Kunden zu sich an den Schalter.
Einen Augenblick verharrte Ruth bei der Bankangestellten. Sie war sprachlos und fühlte sich so schäbig wie eine Küchenschabe. Dann aber besann sie sich ihrer Kämpfernatur. »Einen Augenblick, bitte. Sie haben mir zwar die Lage ausführlich erklärt, aber trotzdem bin ich nicht überzeugt, dass Ihre Beurteilung die einzig mögliche ist. Wir haben in den letzten drei Jahren den Betrieb umgestellt und haben Pläne, die uns von der Nachfrage aus Europa unabhängig machen. Ich möchte mit Mister Claassen sprechen. Jetzt.«
Ein maliziöses Lächeln erschien auf dem Gesicht der jungen Frau. »Ganz wie Sie wünschen. Haben Sie einen Termin?«
Ruth schüttelte den Kopf.
»Das habe ich mir fast gedacht. Nun, ohne Termin besteht leider keine Möglichkeit, Mister Claassen zu sprechen.«
Ruth kochte innerlich vor Wut. Zu gerne hätte sie der Frau am Schalter gesagt, was sie von ihr hielt. Dass sie ja doch keine Ahnung habe, sich erst einmal eine Farm aus der Nähe ansehen solle, bevor sie über deren Gedeih und Verderb entschied. Doch Ruth wusste auch, dass sie hier ohnehin nichts mehr erreichen würde. Sie nickte, wandte sich ab und stieg die Marmortreppe hinab, um
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