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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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zurück in die Halle zu gelangen.
    Am Ausgang wandte sie sich an den uniformierten Bediensteten, der bei ihrem Anblick bereits Anstalten machte, ihr die Tür zu öffnen. »Vielen Dank, junger Mann. Aber ich werde noch ein wenig in diesem Gebäude weilen. Wären Sie so liebenswürdig, mir zu sagen, in welchem Zimmer Mister Claassen residiert?« Ruth hatte sich bewusst für die ihrer Meinung nach unerträglich gestelzte Sprache entschieden. Eines hatte sie bei ihrem kurzen Besuch in der Farmersbank nämlich bereits begriffen: Hier regierte der Schein und nicht das Sein.
    »Zimmer 124, erster Flur, mit dem Aufzug hinauf und dann gleich links.«
    Ruth nickte dankend und stand wenig später vor dem besagten Zimmer. Sie klopfte kurz und energisch, wartete aber nicht ab, bis sie hereingebeten wurde, sondern öffnete die Tür mit einem Ruck.
    Claassen hatte offensichtlich nicht mit Besuch gerechnet. Als Ruth in sein Büro stürmte, schrak er hinter seinem Schreibtisch hoch und riss die Füße vom Tisch. »Ich kann mich nicht erinnern, Sie hereingebeten zu haben.«
    »Das kann vorkommen in Ihrem Alter«, erwiderte Ruth ungerührt. »Ist aber noch kein Grund zur Sorge.« Sie knallte den Aktenordner auf Claassens Schreibtisch und setzte sich unaufgefordert in den bereitstehenden Ledersessel. »Ich bin gekommen, um die vereinbarte Kreditverlängerung schriftlich festzuhalten.«
    Claassen kniff die Augen zusammen und musterte Ruth abschätzig. »Miss Salden, nicht wahr? Ich erinnere mich. Sie haben schon vor drei Jahren durch ein ausgesprochen schlechtes Benehmen auf sich aufmerksam gemacht.«
    Ruth lächelte. »Auf Salden’s Hill hat sich seither einiges verändert. Mein Benehmen ist davon allerdings ausgenommen. Das steht alles in den Unterlagen. Also?«
    »Auf Ihrer Farm mag alles seinen Gang gehen, aber die Welt dreht sich trotzdem weiter. Namibia hat in den letzten drei Jahren eine erstaunliche Entwicklung durchlebt. Früher stand die Viehzucht an erster Stelle, mittlerweile exportiert das Land in erster Linie Bodenschätze. Die Rössing-Mine bei Swakopmund ist nunmehr der größte Uran-Tagebau der Welt. Dazu kommen die Diamanten. Ein Drittel, liebes Fräulein Salden, ein Drittel der Exporterlöse wird durch Diamanten gemacht. Dazu exportieren wir Uranerz, Kupfer, Blei, Zink, Pyrit und noch einige andere, nicht ganz so bedeutende Bodenschätze. Und in dieser Liga wollen Sie mit Ihren paar Schafen mitspielen? Oder sind Sie gekommen, um mir zu erzählen, dass auf Ihren Weiden hin und wieder Diamanten in der Schafscheiße blinken? Dann läge die Sache natürlich anders. Auf dieses Spiel könnten wir uns einlassen.«
    »Das ist kein Spiel, das ist unsere Existenz, Mister Claassen. Aber vielen Dank für den Vortrag. Ihren Worten entnehme ich, dass Ihre Bank gute Geschäfte macht. Was also kostet es Sie, unseren Kredit zu verlängern?« Ruth musste sich zusammennehmen, um dem Mann nicht das höhnische Grinsen aus dem Gesicht zu schlagen.
    Claassen leckte sich über die Lippen, die feucht und glänzend wie Regenwürmer in seinem Gesicht lagen. »Was würden Sie sich denn den Kredit kosten lassen?«, fragte er, beugte sich nach vorn und heftete den Blick auf Ruths Busen. »Umsonst ist nur der Tod, wie die Oukies hier bei uns sagen.«
    Ruth verschränkte die Arme vor der Brust und sah Claassen grimmig an.
    Der wartete nicht auf eine Antwort, sondern sprach direkt weiter. »Ich war bereit, euch entgegenzukommen, doch eine Hand wäscht nun mal die andere. Besonders in der Geschäftswelt. Deine Mutter, mein Kind, hat das nicht begriffen. Du könntest die Dummheit deiner Mutter ausbügeln. Das Wohl und Wehe der Farm liegt also ganz bei dir.«
    Ruth hätte sich vor Ekel schütteln mögen. Wie sehr sie Claassens Worte und seine Blicke anwiderten! Und dieses ständige Schmatzen! Voller Abscheu sah sie Claassen noch einmal an. Dann nahm sie wortlos den Aktenordner, klemmte ihn unter den Arm und ging zur Tür.
    »Nun, nun, mein Fräulein! Überlegen Sie es sich! Es soll Ihr Schaden nicht sein.« Claassen lachte meckernd.
    Eher erbettle ich mir die 15 000 Pfund vor dem Luxushotel in Windhoek, als von Claassen auch nur einen roten Heller anzunehmen, dachte sie und verließ festen Schrittes die Bank.
    Auf der Straße atmete sie tief durch. Die Luft hatte sich erwärmt, war mittlerweile geschwängert von Abgasen, Industrierauch und den Ausdünstungen unzähliger Menschen. Ruth hatte so starke Sehnsucht nach Salden’s Hill, dass ihr beinahe die

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