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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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geschockt, dass sie sich geschlossen ergaben. Wenige Monate später begannen die Friedensverhandlungen. Der Nama- und Hererokrieg hatte bis dahin rund zehntausend Nama und zwanzigtausend Herero das Leben gekostet.« Horatio nahm seine Bierflasche und trank sie in einem Zug leer.
    Ruth starrte nachdenklich aus dem Fenster. Dann nickte sie kurz, griff nach ihrem Zopf, löste den Gummi und band ihn neu zusammen. »Ich glaube«, sagte sie dann, »dass Salden’s Hill bei den ersten Überfällen der Nama dabei war. Auf der Farm arbeiteten damals wie heute Nama. Es wäre ihnen ein Leichtes gewesen, fremde Nama auf das Land zu schmuggeln. Außerdem, ich sagte es vorhin schon, ist meine Großmutter geflohen und hat ihr Kind zurückgelassen.«
    »Vielleicht ist Ihre Großmutter aber auch nur geflohen, weil sie wusste, dass die Nama die Kinder verschonen. Wäre das nicht auch ein Grund?«
    Ruth nickte gedankenversunken. Plötzlich hielt sie es in der rauchgeschwängerten Bar nicht mehr aus. Vor ihrem inneren Auge sah sie die Farm, wie sie 1904 ausgesehen haben mochte. Obwohl sie erst lange nach den Aufständen geboren worden war, fühlte sie sich schuldig. »Ich gehe mir ein wenig die Füße vertreten«, sagte sie und war schon draußen, ehe Horatio die Zeche bezahlen konnte.
    Ruth ging dem Sonnenuntergang entgegen. Ihre Hand glitt zu dem Stein zwischen ihren Brüsten. Sie erschrak nicht, als er kalt wie ein Eiswürfel zwischen ihre Finger glitt. Sie sah in die Sonne, spürte wieder dieses Kribbeln, das jetzt ihren ganzen Körper erfasst hatte. Und noch während sie in die untergehende Sonne sah, entstand vor ihrem Auge ein neues Bild. Sie sah Salden’s Hill, sah brennende Hütten. Eine Frau schrie, ein Baby weinte. Und sie sah einen Mann, der bis zu den Hüften in einem Brunnenloch stand. Der Mann bückte sich, hob einen Stein hervor, der aussah wie ein faustgroßes Stück Kandis. Er hielt den Stein in der Hand.
    Eine Frau trat ins Bild, deren Gesicht Ruth nicht erkennen konnte. »Ich bitte dich«, sagte die Frau. »Um Christi willen, lass den Stein.« Doch der Mann schüttelte den Kopf. Da knallten Schüsse, und der Mann fiel vornüber, während der faustgroße Stein in den Dreck fiel.
    Die Frau wandte sich um, sah in einen Gewehrlauf, sah ebenfalls ein Gesicht, jedoch nur als Schatten. »Gib mir den Stein!«, herrschte jemand sie an. »Na los, mach schon! Gib mir den verdammten Stein.«
    Die Frau schüttelte den Kopf. Im selben Augenblick richtete der Mann sein Gewehr auf das Baby. »Los, gib ihn her, sonst töte ich dein Balg.«
    »Nicht! Bitte! Nicht mein Kind.« Sie sank auf die Knie, wühlte tränenüberströmt in ihrem Mieder. Doch plötzlich kamen aus einer anderen Richtung Männer auf Pferden und schossen.
    »Scheiße«, brüllte der Mann mit dem Gewehr. Bevor er wegrannte, wandte er sich noch einmal zu der Frau. »Ich finde dich. Wo immer du bist, ich werde dich finden!«

Zehntes Kapitel
    D as Frühstück in Uschis Pension war so deutsch wie ein Frankfurter Würstchen. Es gab weiße Buttersemmeln, viel zu süße Erdbeerkonfitüre von einem Werk aus Schwartau in Deutschland, dazu Honig und Schmierkäse. Ruth hätte lieber Miliepap gegessen, aber Uschi verzog auf ihre Frage hin nur abfällig das Gesicht. »Mir esse hier, was mir in Deutschland immer gegesse habbe. Mir halte was von Traditione, gell.«
    Ruth nahm an, dass Uschi nur so sehr an ihren hessischen Traditionen klebte, weil sie hoffte, eines Tages dem berühmten Diamantenhändler und Minenbesitzer Oppenheimer, einem gebürtigen Friedberger, ihre klebrige Marmelade und die pappigen Brötchen vorsetzen zu können.
    Anders als sie biss Horatio so genussvoll in seine Semmel, dass die Krümel nach allen Seiten spritzten. »Nicht alles, was aus Deutschland kommt, ist schlecht«, stellte er fest und löffelte sich großzügig von der Erdbeerkonfitüre auf sein Brötchen.
    »Aber schlecht für die Zähne«, beklagte sich Ruth. »Ich kriege schon vom Hingucken Karies. Mama Elo und Mama Isa haben ihr Leben lang Miliepap gegessen und haben keine einzige Plombe.«
    »Das überzeugt mich«, verkündete Horatio und langte nach dem nächsten Brötchen.
    »Jetzt beeilen Sie sich doch«, drängelte Ruth. »Wir müssen ins Archiv.« Obwohl sie seit ihrer Geburt in Namibia lebte, fiel es ihr dennoch manchmal schwer, sich an die Langsamkeit der Eingeborenen zu gewöhnen. Sie war ungeduldig, alles musste zügig erledigt werden. Mußestunden kannte Ruth nicht, und Langsamkeit zu

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