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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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bedrucktes Blatt aus seinen Unterlagen. »Hier können Sie den Befehl von Trothas nachlesen. Hier steht es schwarz auf weiß.«
    »Lesen Sie vor, bitte.«
    »›Ich, der große General der deutschen Soldaten, sende diesen Brief an das Volk der Herero. Die Herero sind nicht mehr deutsche Untertanen. Sie haben gemordet, haben gestohlen, haben verwundeten Soldaten Ohren, Nasen und andere Körperteile abgeschnitten und wollen jetzt aus Feigheit nicht mehr kämpfen. Ich sage den Herero: Jeder, der einen Häuptling an einer meiner Stationen als Gefangenen abliefert, erhält eintausend Mark, wer mir Samuel Maharero bringt, erhält fünftausend Mark. Das Volk der Herero muss jedoch das Land verlassen. Wenn das Volk dies nicht tut, so werde ich es mit Waffen dazu zwingen. Innerhalb der deutschen Grenzen wird jeder Herero mit und ohne Gewehr, mit oder ohne Vieh erschossen, ich nehme keine Rücksicht auf Frauen und Kinder, treibe sie zu ihrem Volk zurück oder lasse auf sie schießen. Dies sind meine Worte an das Volk der Herero. Der große General des mächtigen Deutschen Kaisers, Lothar von Trotha.‹«
    Er sah ihr in die Augen. »Mit Herero meinten die Deutschen natürlich nicht nur die Herero, sondern auch Mitglieder anderer Stämme. Sie haben sich noch nie viel Mühe gegeben, unsere Völker voneinander zu unterscheiden. Schwarz ist eben schwarz, Kaffer gleich Kaffer.«
    »Stimmt das?«, hakte Ruth ein, die sich auf diffuse Weise schuldig fühlte. »Haben die Herero wirklich den Deutschen Nasen und Ohren abgeschnitten? Haben sie nicht nur die Farmer getötet, sondern auch deren Frauen und Kinder?«
    Horatio sah auf. »Ja, das haben sie. Es herrschte Krieg. Ein Krieg, den die Weißen begonnen haben, indem sie uns das Land unserer Väter raubten.«
    Ruth dachte eine kleine Weile nach, während die Kellnerin ein neues Bier brachte. Sie wollte nicht schon wieder mit Horatio streiten. »Erzählen Sie, wie es weiterging. Wie ist es den Herero und Nama in der Wüste ergangen?«
    »Das können Sie sich sicher denken. Sie hatten kein Wasser, kein Vieh, konnten weder essen noch trinken. Zuerst starben die Schwächsten, die Alten und die Kinder. Unterdessen aber hatte man selbst in Deutschland Bedenken gegen den Ausrottungsbefehl von Trothas. Auf ausdrückliche Anweisung des Generalstabes in Berlin sollte die Tötung der Schwarzen ausgesetzt und diese zu Arbeitssklaven gemacht werden. Doch es war zu spät. Fünfzehntausend Schwarze hatten bereits ihr Leben gelassen, als elf Abgesandte der Schwarzen nach Ombakala zu Verhandlungen mit den Deutschen geschickt wurden. Die deutschen Schutztruppen erschossen sie kurzerhand. Und so sah Häuptling Maharero sich gezwungen, mit dem Rest seiner Leute, immerhin noch ungefähr achtundzwanzigtausend Menschen, auf britisches Gebiet zu flüchten.«
    »Sie haben zumeist von den Hereros gesprochen. Was haben nun die Namas mit dem Aufstand zu tun?«, fragte Ruth.
    »Warten Sie, darauf komme ich jetzt. Im Juli 1904 überfiel der Nama Jakob Morenga mit elf seiner Anhänger deutsche Farmen. Von einem dieser Überfälle war wahrscheinlich auch Salden’s Hill betroffen. Die Deutschen wehrten sich und töteten einige der rebellischen Nama. Daraufhin wiederum kündigte Hendrik Witbooi, ein weiteres Oberhaupt der Nama, den mit den Deutschen geschlossenen Schutzvertrag und wechselte offiziell die Seite. Nun standen Nama und Herero Seite an Seite. Vierzig deutsche Siedler fielen den Angriffen der Schwarzen zum Opfer. Doch die Frauen und Kinder der Weißen wurden verschont, zum Teil sogar bis zur nächsten deutschen Station geleitet. Es ist möglich, Ruth, dass Ihr Großvater Opfer dieser Angriffe wurde. Die Flucht Ihrer Großmutter spricht dafür.«
    »Dagegen spricht aber, dass sie ihre Tochter zurückgelassen hat«, erwiderte Ruth rasch.
    »Das stimmt allerdings. Hören Sie, wie es weiterging. Ich weiß, das ist ein bisschen kompliziert und verwirrend, aber wenn Sie wirklich wissen wollen, was passierte, kann ich Ihnen einige Details nicht ersparen.« Horatio hielt kurz inne und nahm einen Schluck aus seinem Bierglas. »Überall im Land begannen nun Schlachten. Blutig zumeist. Zwar waren die Deutschen mit Kriegsmaschinerie besser ausgerüstet, doch es gelang ihnen weder 1904 noch 1905, den Unruhen ein Ende zu bereiten. Am 29. Oktober 1905 wurde Hendrik Witbooi erschossen, als er mit seinen Leuten versuchte, eine deutsche Transportkolonne zu überfallen. Die anderen Nama waren vom Tod ihres Häuptlings so

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