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Das Feuer der Wüste

Titel: Das Feuer der Wüste Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Winter
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nicht merken kannst, dann schreibe es auf. Schreiben kannst du doch, oder?«
    »Sehr wohl, Bass. Ich habe es in der Missionsschule gelernt.«
    »Ja, ja … Tu einfach, was ich dir sage. Wenn sie weg sind, kommst du zu mir und berichtest. Hast du das verstanden?«
    Der Schwarze nickte eifrig. »Dürfen sie alle Akten lesen, Bass?«
    Der Weiße überlegte einen Augenblick. Dann ging er zu einem Regal, zog einen Ordner heraus und steckte ihn in einen fleckigen Pappkarton, der unter einem Schreibtisch stand. Er wandte sich zu dem Schwarzen. »Natürlich dürfen sie alles lesen. Sie haben immerhin die Erlaubnis dazu eingeholt. Wir halten uns an die Vorschriften, hast du verstanden?«
    Der Weiße zog aus seiner Jacketttasche eine Münze und warf sie dem Schwarzen hin, wie man einem Hund einen Knochen zuwirft. »Und jetzt mach, dass du fortkommst.«
    »Sehr wohl, Bass, und vielen Dank auch, Bass.« Der Schwarze steckte die Münze ein, machte auf dem Absatz kehrt und verließ das Archiv. Sein Chef aber kehrte in sein Büro zurück und fasste einen Entschluss.
    Ruth und Horatio waren in einer kleinen Bar eingekehrt und tranken Bier. »Was haben Sie herausgefunden?«, fragte Ruth.
    Horatio schüttelte den Kopf. »Nicht viel, fürchte ich. Und Sie?«
    »Ich habe gelesen, wie der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz die Nama um viel Land betrogen hat. War das wirklich so?«
    Horatio nickte und starrte vor sich hin. Dann sah er aus dem Fenster, und Ruth schien es, als zuckte er ein wenig zusammen. »Hören Sie«, sagte er. »Vielleicht sollten Sie wirklich besser nach Hause fahren. Es kann gefährlich werden.«
    »Wie kommen Sie darauf? Das ganze Leben ist gefährlich. Warum wollen Sie mich eigentlich ständig zurück nach Salden’s Hill schicken?« Ruth war genervt. Sie war so weit gefahren, hatte ihre Farm so lange allein gelassen. Wie konnte Horatio glauben, sie ließe sich so kurz vor dem Ziel einfach nach Hause schicken wie ein kleines Kind?
    Ihr Begleiter schluckte, dann sah er auf die hölzerne Tischplatte. »Ich mache mir einfach Sorgen um Sie. Ist das so schwer zu verstehen?«
    Ruth schwieg. Noch nie hatte sich jemand um sie gesorgt. Höchstens Mama Elo und Mama Isa, die stets Befürchtungen um ihre Gesundheit hegten, sie ermahnten, nicht barfuß über die kalten Küchenfliesen zu laufen, nicht mit nassen Haaren ins Freie zu gehen, die Nieren schön warm zu halten und jeden Tag Obst zu essen. Davon abgesehen war Ruth mit allen Schwierigkeiten allein fertiggeworden, ganz gleich, ob es sich um wütende Rinderbullen, gewaltbereite Viehdiebe oder hinterhältige Wollhändler handelte. Sie hatte Kraft und Mut und wusste sich ihrer Haut zu wehren. Nur wenn Horatio sie so besorgt ansah wie jetzt, wurde ihr ganz warm, und sie fühlte sich weich wie ein Zweig, der sich an den Wind schmiegt. Ruth wusste, dass sie in solchen Augenblicken ihre Stärken vergaß, aber das durfte nicht sein. Also räusperte sie sich und zog ihre Hand zurück, die ganz von selbst über den Tisch in die Richtung von Horatios Hand gekrochen war. »Es wird Zeit, dass Sie mir endlich etwas über die Nama- und Hereroaufstände erzählen. Ich weiß längst, dass diese bei der Geschichte meiner Großeltern eine Rolle spielen.«
    Horatio nickte. »Also gut. Ich beginne ganz am Anfang. Schon immer waren die Nama und die Herero verfeindete Stämme. Als die deutsche Besiedlung und Verwaltung begann, schlossen die weniger aufsässigen Herero mit den Deutschen einen Schutzvertrag, der auch die Hilfe der Deutschen gegen die Nama beinhaltete. Dann kam die große Rinderpest, das war 1897. Die meisten Hereros, die schon immer von der Rinderzucht lebten, verloren den Großteil ihres Viehs. Eine anschließende Heuschreckenplage verwüstete die Weiden, sodass auch die restlichen Rinder an Hunger krepierten. Die Weißen nützten die Notlage der Hereros aus und kauften ihnen ihr restliches Land für einen Apfel und ein Ei ab, sodass sich viele Hereros als Farmarbeiter bei den Weißen verdingen mussten. Von einem Tag auf den anderen mussten sie wie Sklaven auf dem ehemals eigenen Grund und Boden schuften. Natürlich begehrten die Hereros auf. Immer wieder kam es zu Auseinandersetzungen zwischen den Schwarzen und ihrem Bass. Die Spannungen nahmen zu, und schließlich verlangten die Weißen von der Regierung, dass die abgeschaffte Prügelstrafe für die Schwarzen wieder eingeführt werden sollte.«
    Horatio blätterte in seinen Unterlagen und wies auf ein Dokument. »Hier, sehen

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