Das Feuer des Daemons
Entschuldigung.«
»Tja«, war ihre recht unzulängliche Antwort. Immerhin war Khalil ein Dschinn.
Sie sah sich die in einer ausgeprägten, weiblichen Handschrift verfasste Notiz an. Es war ein einfaches Sendschreiben. Carling bat um Entschuldigung und kündigte an, sich bald zu melden. Abermals überwältigt, schob Grace die Notiz zu dem kostbaren, atemberaubenden Scheck in den Umschlag zurück und verstaute das Ganze sicher auf dem Grund ihrer Handtasche.
»Ich weiß nicht, wie ich dir danken soll«, sagte sie mit kehliger Stimme. »Ich weiß einfach nicht, was ich sagen soll. Das gehört zu den wichtigsten Dingen, die jemals jemand für mich getan hat. Und für die Kinder.«
»Schhh«, sagte er sanft mit seiner Abtrünniger-Engel-Stimme, beugte sich vor und küsste sie.
Sie dachte nicht einmal daran, zu zögern oder zurückzuweichen, so sehr hatte sich alles zwischen ihnen verändert. Stattdessen legte sie den Arm um seinen Hals und erwiderte seinen Kuss. Seine Lippen waren warm und fest und bewegten sich dennoch mit äußerster Zärtlichkeit auf ihren. Wieder spürte sie diese schmerzliche Erregung, nur dass sie diesmal zart wie ein Garten erblühte, der nach den langen, bitteren Wintermonaten wieder zum Leben erwachte.
Ganz sacht strich er mit seinen Lippen über ihre, hin und her, als würde er ihre Weichheit und ihre Konturen zum ersten Mal erleben. Er stöhnte. Es klang erschrocken. Dann zog er sich zurück, starrte sie an und streichelte dabei ihr Gesicht. Auch seine Hände zitterten, und seine königlichen, eleganten Züge wirkten betroffen und voller Staunen.
Dieser Gesichtsausdruck war so wunderschön, dass sie den Impuls verspürte, sich nach allen Seiten umzusehen, um sicherzugehen, dass er wirklich ihr galt. »War das gut?«
Er flüsterte: »Heilige Scheiße, ja.«
Ein raues Lachen ließ sie aufschrecken. Schützend legte Khalil ihr eine Hand auf die Schulter und sah sich um. Sie folgte seinen Blicken. Sechs junge Männer, alle um die zwanzig oder einundzwanzig Jahre, kamen gemächlich auf sie zu; sie unterhielten sich und machten Witze. Khalil kniff die Augen zusammen. Zwischen den Zähnen hindurch sagte er: »Ich will, dass sie weggehen.«
Grace fing an zu lachen. »Das ist eine öffentliche Straße. Sie tun nichts Verbotenes.«
»Das interessiert mich nicht«, sagte Khalil.
Unsicher holte sie Luft. Sie hatte sich Sorgen gemacht, dass die Sache mit Khalil von Freundschaft übers Küssen vielleicht zu anderen Dingen übergehen könnte, und dabei war sie irgendwie kopfüber auf völlig fremdes Terrain gestolpert, das sie nicht vorhergesehen hatte. Dieses gefährlich abschüssige Gelände war wirklich tückisch.
»Wir sind hier«, brachte sie hervor. »Und wie du schon sagtest, können wir genauso gut reingehen.«
Er sah sie finster an. »Das interessiert mich auch nicht.«
Das Problem war, dass es Grace genauso ging.
Was erst recht ein Grund war, es zu tun, fand sie.
Dschinn wurden nicht betrunken. Alkohol hatte keine Wirkung auf sie. Andere Dinge allerdings schon, und Khalil war ganz schwummerig von all den Sinneseindrücken, die auf ihn einstürmten. Dschinn waren hochempfindlich, aber in ihrem normalen Zustand galt ihre größte Empfänglichkeit dem An- und Abschwellen magischer Kräfte und Energien.
Das volle Ausmaß physischer Sinneseindrücke war ein Erfahrungsspektrum, das sich gänzlich von allem unterschied, was er bisher kennengelernt hatte.
Die leichte Reibung des abgetragenen Jeansstoffs auf seinen Schenkeln. Das Baumwoll-T-Shirt, das sich über seiner Brust und seinen Schultern dehnte. Der körperlose Hauch des Sommerwinds auf seiner Wange.
Er war euphorisch und verstört. Er dachte, so müsste es sein, wenn man betrunken war. Er war sich nicht ganz sicher, ob es ihm gefiel.
Und dann kam Grace vorsichtig die Treppe herunter, und sie war ein so farbenfroher Anblick, dass er nicht anders konnte, als sie anzustarren. Ihre Haut sah leicht gebräunt aus, und ihre Kleidung ließ ihn an einen Blumenstrauß denken. In ihrem kurzen, feuchten Haar schimmerten rotgoldene Strähnchen, und als sie auf ihn zukam, riss sie vor Staunen die Augen auf. Dann umfing ihn ihr Duft, eine saubere, leichte Note, die, wie er glaubte, einzigartig auf der Welt sein musste.
Und dann berührte sie ihn.
Nur diese eine, schlichte Berührung an seinem Arm, und er stand unter Schock. Ihre Haut auf seiner. Beim nächsten Mal fuhr sie mit behutsamer Hand die Konturen seines Arms nach, bis zu seiner
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