Das Feuer Kabals
»Geschenk« gemacht hatte. Sobald der Kurakpor in der Lage gewesen war, die Wunden zu heilen, die die Frostkönigin ihr zufügte, hatte sie mehr ertragen müssen, als sie sich selbst zugetraut hatte, jemals aushalten zu können.
Sie legte ihre verschmutzte Kleidung an und wünschte sich einen größeren Fluss, damit sie den Schlamm und Geruch aus ihren Kleidern waschen konnte.
Hätte ich bloß ein Stück Seife mitgehen lassen.
Julana begutachtete die Reste der Vorräte in ihrem Rucksack und seufzte. Der Kurakpor brauchte einen stattlichen Anteil dessen, was sie verzehrte. Sie aß wie ein Bauer und hatte doch stets Hunger. Wenn sie also nicht in Kürze etwas Essbares auftrieb, stand sie vor einem Problem. Sie erwog, eine der Schlangen zu fangen, die beinahe überall in den Büschen hingen, aber der Gedanke allein reichte aus, um ihr Übelkeit zu verursachen.
Ich werde nach einer Ortschaft oder einem Haus Ausschau halten. Womöglich kann ich einen der Sidaji bitten, mir etwas zu geben. Bei den vielen Todesfällen mag es allerdings sein, dass ich sogar ein verlassenes Gebäude und ein paar Vorräte finde. Das Land wirkt wie ausgestorben. Wo sind alle?
Julana hob den Rucksack auf ihre schmerzenden Schultern und ihr Blick fiel auf ihre Hände. Der Schmutz war zwar größtenteils abgewaschen, aber ihre Haut und ihre Nägel sahen aus wie bei einer Magd.
Sie lachte.
Lieber frei und schmutzig als gepflegt und in Sklaverei.
Der wiederkehrende Gedanke an Wira rammte einen kalten Stachel des Hasses in ihr Herz. Sie dachte an die Zeit zurück, als sie in die starke Frau verliebt war, ihr blind vertraut hatte. Wira hatte sie hingegen nur benutzt und in einen Abgrund der Erniedrigung gestoßen. Anfänglich hatten ihr Wiras ungewöhnliche Spielchen zugesagt. Doch als daraus unfassbare Rohheiten wurden, die keine Grenzen kannten, waren ihre Gefühle für die Königin des Frostturms, die von Anfang an voller bizarrer Widersprüche waren, unerträglich geworden. Sie schämte sich für die Abhängigkeit, in die sie sich begeben hatte, doch in den letzten Wochen war aus der bitteren Enttäuschung Wut geworden.
Wut und Hass.
Julana kämpfte bis zum Einbruch der Dämmerung mit dem morastigen Terrain und hätte beinahe den Weg übersehen, der sich auf steinernen Stelzen hoch über dem Land hinzog. Sie erkannte die schmale Linie des Bauwerks kaum noch und hielt darauf zu. Sie hatte die Straßen bisher gemieden, weil sie Angst davor hatte, den Maschinenwächtern zu begegnen. Aber nach tagelangem Marsch durch das feuchte Dickicht und den matschigen Boden war ihr das Risiko egal. Sie erreichte den Rand des Weges und kletterte an einer der Stelzen hinauf. Der Boden war von Moos und wurzelartigen Strängen überwachsen und nur in der Mitte des Stegs erkannte sie eine Art ausgetretenen Trampelpfad. Scheinbar war hier nur selten jemand unterwegs.
Am Horizont verschwanden die beiden Sonnen und im letzten Strahl sah sie Rauchwolken in weiter Ferne aufsteigen. Etwas Großes, eine ganze Stadt womöglich, brannte dort. Sie entfernte sich jedoch von diesem Ort und hoffte, dass sie keinen Maschinenwächtern begegnen würde.
Obol hatte zugenommen und stieg am Horizont auf. Der zweite Mond war nicht ganz voll, warf aber genug Licht auf die flache Landschaft vor ihr. Sie vermisste schmerzlich eine Karte und konnte sich in diesem fremden Land nur unzureichend orientieren. Die grobe Richtung nach Südosten hatte sie jedoch eingehalten und früher oder später musste sie an die Küste gelangen. Dort würde sie ein Boot suchen und nach Loros übersetzen. Die Vulkaninsel war weit genug vom Thronsaal und den Frostreichen entfernt und die erste Insel, die sie erreichen konnte. In der Nähe des Strandes würde sie einen Unterschlupf finden und sich für eine Weile niederlassen. Pläne schmieden. Kraft schöpfen.
Julana marschierte bis tief in die Nacht und erreichte schließlich eine Herberge. Zur Vorsicht schlich sie sich langsam an. Sie umrundete das flache Steingebäude, das von einem Wandelgang und vielen immer noch gepflegt wirkenden Büschen und Hecken umgeben war. Es brannte kein Licht im Gebäude, und die breite Bronzetür war verschlossen. Sie klopfte an, unsicher, ob nicht doch jemand anwesend sein könnte. Es tat sich nichts.
Julana konzentrierte sich und sprach die Worte der Altvorderen ihres Stammes, um deren Beistand zu erbitten. Als die kalte Kraft in ihren Fingerspitzen vibrierte, entließ sie einen Eisstrahl auf das Schloss. Das
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