Das Feuer Kabals
Siedlung mit einer Handvoll Häuser. Sie verließ den Weg und schlich sich im Dickicht um die Gebäude herum. Es war kein Ton aus der Ortschaft zu hören, die kaum mehr als zehn Wohnhäuser umfassen mochte. Julana sah keinen der Maschinenwächter und ging auf Zehenspitzen vorsichtig an eine der Behausungen heran. Sie schien leer, und der Haupteingang stand offen. Etwas mutiger geworden, trat sie zwischen die übrigen Häuser.
Keine Sidaji hier. Sind denn alle tot? Aber wo sind dann die Toten?
Sie erkundete die Gebäude und war verwirrt. In jedem Gebäude hatte sie mindestens ein Krankenlager gefunden, jedoch keine Leichen. Die ältesten Gräber waren schon Wochen alt. In einem Haus lief das Wasser aus einem Hahn an der Wand und in allen waren die Öllampen heruntergebrannt. Es sah danach aus, als ob die Sidaji, plötzlich alles stehen und liegen gelassen hatten und fortgeeilt waren.
Irgendetwas daran will mir nicht einleuchten. Warum begegne ich seit Tagen nicht einem einzigen Sidaji? Was ist vorgefallen?
Julana frischte ihren Proviant auf und verbrachte eine unruhige Nacht in einem der leestehenden Häuser, dessen Tür sie vorsichtshalber verbarrikadierte. Am nächsten Morgen brach sie bald auf und gelangte im Laufe des Tages an einen großen Fluss. Eine erstaunlich konstruierte Brücke überspannte den tausend Schritt breiten Flusslauf.
Es kann sich nur um den Si‘Zun handeln, der dem Zentralmassiv entspringt. Ich komme allmählich voran.
Julana fuhr mit dem Finger über die Karte und entdeckte die Brücke darauf, vor der sie jetzt stand. Dahinter war eine größere Ortschaft namens Ssastik eingezeichnet. Sie hatte eigentlich vorgehabt, einen Bogen um Siedlungen zu machen, doch ihre Neugier siegte. Sie überquerte die Brücke, deren Pfeiler weit in den Himmel ragten, und sah von oben auf die kleine Stadt hinab. Sie spähte lange auf die Straßen und Gebäude, aber alles blieb leblos und verlassen. Sie verließ die Brücke und betrat angespannt das Städtchen, einen Blick in jeden Schatten und jede Gasse werfend. Die Stille um sie herum war bedrückend. Türen standen offen, Kleidungsstücke lagen auf dem Pflaster, wie vom Wind umhergeweht. Sie untersuchte unzählige der flachen Häuser und entdeckte die gleichen Anzeichen wie in der kleinen Siedlung zuvor. Alles sah aus, als wären die Sidaji spurlos verschwunden. Auch hier schloss sie aus den Zeichen, dass sich etwas in der Nacht ereignet haben musste. Julana war ratlos hinsichtlich des Schicksals der Sidaji, erkannte aber die Vorteile der Situation. Ihrer Flucht stand nichts mehr im Wege. Sollte sie auf keine größeren Hindernisse mehr treffen, war sie bald fern von … Wira.
Am Flussufer waren ein Dutzend Segelboote angeleint und sie fand eines mit einer kleinen Kammer und ausreichend Platz für ihr Gepäck. Da sie häufig gesegelt hatte, wusste sie, dass sie mit dem Boot bis zur Insel Loros gelangen konnte, und lud ihre Sachen hinein. Sie empfand die Aussicht darauf, auf einem Fluss zum Meer zu treiben als sehr angenehm. Sie würde zwar einen weiten Umweg nach Westen machen müssen, aber dafür käme sie auch viel schneller und bequemer voran. An der Küste konnte sie dann zurück nach Osten in Richtung Loros segeln.
Sie durchstöberte eine Anzahl Häuser nach Proviant und fand sogar ein kleines Zelt und eine Axt. Sie lud diese Sachen und einige zusätzliche Nützlichkeiten in das Boot und brach sogleich auf. Die leere Stadt machte sie nur nervös. Das Falsche an der Situation zerrte an ihren Nerven. Außerdem hatte sie Angst vor den Maschinenwächtern, die sich bereits vor Wochen mehr und mehr der Kontrolle der erkrankten Sidaji entzogen hatten und möglicherweise sogar hier ihr Unwesen trieben.
Sie betrat das weiß gestrichene Segelboot und zog ihre Stiefel aus. Ihre geschundenen Füße dankten es ihr auf der Stelle. Die Leine war schnell gelöst und bald trieb sie auf dem breiten Strom des Si‘Zun dahin. Die tagelange Wanderschaft und das knappe Essen hatten sie dünner werden lassen, als sie ohnehin schon war, aber gleichzeitig hatten sich feste Muskeln an ihren Waden und Oberschenkeln gebildet. Ihr Rücken hatte das Schleppen des Rucksacks gut überstanden und sie erfühlte die harten Muskelstränge links und rechts neben ihrem Rückgrat mit unerwarteter Freude. Auch ihre Bauchmuskeln hatten zugenommen und sie fühlte sich kräftiger als je zuvor in ihrem Leben. Julana wusste, dass ihre Herkunft aus einem alten Adelsgeschlecht der Frostreiche
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