Das Feuer Kabals
Reste auf ihren Lidern ließen alles verschwimmen. Ihr Hals war trocken und über ihr zogen Regenwolken auf. Sie war zu schwach, um den Kopf zu heben und schaute gedankenlos in den Himmel, zu kraftlos, um auch nur einen Finger zu bewegen. Nach einiger Zeit nahm sie wahr, dass es regnete und die Feuchtigkeit auf ihren Lippen ließ sie instinktiv den Mund öffnen. Sie schloss die Augen und versuchte das Wasser aufzunehmen, als der Regen heftig auf ihre Stirn prasselte.
Geraume Zeit später erwachte sie nochmals, nicht wissend, wie viel Zeit vergangen sein mochte. Das Licht der Laternen brannte und Obol sah mit trauriger Miene auf sie herab, fahles Licht auf ihre Umgebung werfend. Sie zitterte vor Kälte und schrie leise auf, als Schmerzen wie Blitze aus ihren Beinen in ihren Unterleib schossen. Es war kaum mehr als ein Röcheln, das ihrer Kehle entstieg und kein angemessener Ausdruck der Pein, die sie verspürte. Doch sie war stark, konnte Schmerzen ertragen. Julana gewann die Kontrolle zurück, aber nur ein Gedanke schlug wie ein Blitz in sie.
Meine Beine sind ab.
Abgetrennt.
Durchbissen und ausgespuckt.
Die Vorstellung wanderte ruhelos durch ihren betäubten und geschwächten Verstand und blieb dennoch unbegreifbar. Sie war erneut außerstande, klar zu denken und wandte instinktiv den Kopf, als sie ein Geräusch vernahm. Julana erschrak beim Anblick des Maschinenwächters. Seine kalten Augen musterten sie. Sie brach in Tränen aus und hob angstvoll ihren Kopf. Ihr Blick wanderte über das Pflaster und sie stieß vor Schmerzen und Furcht hektisch die Luft aus ihrer Lunge.
Bei Ihadrun!
Sie schaute ungläubig auf ihre Beine. Ihre Unterschenkel lagen in Armeslänge neben ihr. Sie wollte sich erbrechen, doch ihr Magen gab nichts mehr her. Sie schloss die Augen und versuchte alles zu vergessen.
Ich muss es wissen.
Julana hob den Kopf und öffnete die Augen. Sie schaute mit getrübtem Blick an ihrem Körper herunter und sah - dass ihr neue Beine wuchsen! Der Anblick war grotesk, denn von den Knien an sah sie die Füße eines Kleinkinds, denen die Haut fehlte und die von einer schleimigen Substanz überzogen waren. Der Eindruck war zu viel für ihren geschwächten Körper und sie fiel nochmals in Ohnmacht.
Als sie die Augen erneut öffnete, geschah dies, weil neben ihr ein scharrendes Geräusch ertönte. Es war wieder Tag, Nebel lag über der Stadt. Sie ließ den Kopf schwach zur Seite kippen und sah, dass der Maschinenwächter eine Meute streunender Hunde vertrieb, die sich neugierig genähert hatten. Einer der Kläffer trug etwas in seinem Maul davon. Julana lachte erst und weinte dann. Der Gedanke daran, dass sie nicht einmal wusste, ob der Köter ihr rechtes oder linkes Bein davontrug, war auf groteske Weise erheiternd und trieb sie gleichzeitig in die Verzweiflung. Sie hob den Kopf und erschrak, als sie ihren Leib unter der Kleidung sah. Sie hatte sämtliches Körperfett und einen Großteil ihrer Muskeln verloren. Sie fühlte sich so schwach, dass sie nicht wusste, ob sie den Kopf ein zweites Mal heben konnte.
Der Kurakpor. Er benutzt die Reserven meines Körpers … er bringt mich noch um!
Ein hohles Gefühl in ihrem Magen brannte und sie nahm am Rande war, dass sie in ihren Exkrementen lag. Bei allem Schmerz konnte sie sich des Ekels nicht erwehren. Doch dann wurde ihr plötzlich klar, dass ihre Beine zu einer normalen Größe herangewachsen waren. Die Haut wirkte rötlich und blass und sie sah den Knochen darunter, weil sie nur ganz dünne Wadenmuskeln hatte.
Ich werde zumindest nicht ohne Beine sterben.
Sie lachte schwach.
Der Maschinenwächter neben ihr gab Geräusche von sich. Julana atmete schneller, zwang sich, ihren Blick von der Umgebung auf die Maschine zu richten. Sie zitterte, als sie in die kalten Augen der Metallschlange sah.
Der Metallkiefer öffnete sich. »Jetzt weiß ich.«
Langsam schlängelte sich der Maschinenwächter davon und Julana sah ihm ungläubig hinterher, bis er außer Sicht war.
Ich muss fliehen.
Sofort.
Sie versuchte, sich zu erheben, aber es klappte erst im dritten Ansatz und Sterne tanzten in ihrem Blickfeld. Hämmernd pochte ihr Herz in ihrer Brust, sodass sie das Gefühl hatte, es spränge ihr gleich aus dem Hals. Ihr Rücken schmerzte beinahe mehr als ihre Beine, da sie die ganze Zeit zur Hälfte auf dem Rucksack und der Armbrust gelegen hatte. Mit heftig zitternden Armen drehte sie sich zur Seite und streifte den Rucksack und den Gurt der Waffe ab. Sie nahm
Weitere Kostenlose Bücher