Das Feuer Kabals
Zeit und mag letztlich gar nichts bringen. Also bleibt nur Jenara.«
Seral richtete sich auf und spreizte seine Flügel aus, um die Federn neu zu ordnen. Charna setzte sich vor ihn. Sie stützte die Arme hinter sich auf und ließ ihre Zehen dort kreisen, wo zuvor ihre Lippen gewesen waren. Seral packte lachend ihren Fuß.
»Du bist wirklich ein ungezogenes Kind.«
Charna machte einen Schmollmund und Seral lächelte. Dann wurde sein Gesicht ernst.
»Du willst Jenara aufsuchen … was willst du damit erreichen?«
Charna stand auf und holte zwei neue Becher mit Wein, einen Blick auf den Fleck an der Wand werfend. »Ich werde sie zur Rede stellen, was es mit der Bedrohung Kabals auf sich hat. In Seraphias Traum war sie da. Sie muss mehr wissen.«
Seral legte die Stirn in Falten und nahm den Becher von ihr entgegen. »Wo fand das alles statt?«
»Im Tempel hier in Idrak und auch auf Kitaun. Das muss lange her gewesen sein. Wenigstens sechshundert Jahre. Sie war an dem Kampf um Kitaun beteiligt.«
Seral überlegte. »Sie war deine Patentante, nicht wahr?«
Charna nickte und nahm einen Schluck Wein. »Ich kenne Tojantur so gut wie Idrak. Ich werde allein gehen und sie dort überraschen. Sie wird mir antworten, wenn ich sie im Namen meiner Mutter frage.«
»Mal abgesehen von dem beträchtlichen Risiko … was macht dich so sicher, dass sie dich nicht anlügen wird?«
»Sie trägt das Amulett der Feuertaufe. Meine Mutter gab es ihr, bevor sie Jenara nach Kitaun gehen ließ. Sie wird mir antworten. Wir mögen im Streit liegen, aber sie wird in dieser Sache ehrlich sein. So gut kenne ich sie.«
Seral überdachte das Gehörte. »Du solltest nicht allein gehen.«
»Niemand kann mir im Moment eine Hilfe sein. Ich muss diskret und unauffällig bleiben. Ich will diese Sache klären, ohne dass es offiziell wird. Aber womöglich hast du recht.«
»Es geht dir dabei mehr um dich und deine Mutter, richtig?«
Charna verzog das Gesicht. »Nenn mich ruhig wieder ein störriges Balg. Ja, es geht mir darum, aber meine Mutter und das Schicksal Kabals sind eng miteinander verknüpft. Gewissheit über ihr Fernbleiben und die Gründe dafür zu erlangen ist so wichtig, wie die unmittelbare Bedrohung durch die Maschinenwächter und Wira.«
»Da hast du recht, aber ich bin der Meinung, du solltest lieber Thanasis und Mikar zur Rede stellen.«
Charna schaubte. »Das werde ich. Aber was soll sie davon abhalten, mir erneut ins Gesicht zu lügen? Jenara mag ihre Meinung über mich haben, aber sie war immer ehrlich zu mir.«
»Und wenn sie doch für das Verschwinden der Echsen verantwortlich ist?«, fragte Seral.
»Wohl kaum. Ich denke, wir können sie als Verantwortliche ausschließen, nachdem, was mir Faunus berichtet hat, als ich nach Idrak zurückkehrte. Sie wurde von der Situation genauso überrumpelt, wie wir. Wenn sie das Verschwinden der Sidaji geplant hätte, hätte sie anders reagieren müssen. Nein, sie verfolgt ihre Absichten in Bezug auf Kabal, keine Frage. Aber ihre Motivation liegt in Verantwortung, nicht in der Gier nach Macht. Ich weiß, dass man ihr das gerne nachsagen möchte, aber das stimmt nicht. Sie musste die Rolle ihres Vaters annehmen, als er mit meiner Mutter verschwand und der Norden brauchte eine starke Hand, um die barbarischen Nomaden zu bändigen. Sie hat nur getan, was sie musste. Sie hat meiner Mutter stets vertraut … und sie sieht immer noch das Kind in mir, daraus hat sie nie einen Hehl gemacht. Anders als Mikar und Thanasis.«
»Ist das nicht ein wenig verharmlosend ausgedrückt?«, fragte Seral.
Charna legte den Kopf schief. »Sie hat ihre Differenzen mit dem Orden, seit meine Mutter fort ist. Sie kam nie besonders gut mit Cendrine aus, die hier bis vor wenigen Jahren diejenige war, die das Ruder in der Hand hielt. Ich nehme mir erst seit kurzer Zeit die Freiheit, eigenständige Entscheidungen zu treffen. Meist zu Cendrines Missfallen, übrigens.«
»Du meinst die MA-Reaktoren?«
»Das ist nur ein Beispiel. Sie hat mir stets die Verantwortung meiner »Rolle« vorgekaut. Ermüdend.«
Seral stellte den Becher ab. »Ich glaube, du bist wieder auf dem richtigen Weg. Ich werde vorläufig in den Namenlosen Abgrund zurückkehren. Ich habe dort meine Stellung festigen können, aber ich kann mir keine lange Abwesenheit erlauben. Ich werde dir Unterstützung senden.«
»Was für Unterstützung?«
»Die Maschinenwächter sind eine ernstzunehmende Bedrohung. Die Mikarianer und die Priesterinnen
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