Das Feuer Kabals
versuchen.«
»Ich gebe dir einen Botschafter als Vertreter mit. Jenara wird begreifen, dass ich auf deiner Seite stehe. Das könnte dir bei den Verhandlungen nützen.«
Seral überlegte einen Augenblick. »Mehmood wird dich begleiten. Jenara weiß, dass er den Zugang zum Namenlosen Abgrund kontrolliert. Wenn er dich begleitet, wird sie meine Herrschaft hier nicht mehr anzweifeln.«
Charna nickte und streichelte Serals Wange. »Ich hatte gehofft, wir könnten mehr Zeit miteinander verbringen.«
Seral küsste sie. »Wir werden mehr Zeit miteinander verbringen.«
Charna erhob sich und zog Seral lachend auf die Füße.
Er ergriff ihr Tuch und zuckte zurück. »Au. Was ist das?« Seral schaute die goldene Nadel in dem zerschundenen Stoff an und legte die Stirn in Falten. Ein Blutstropfen erschien auf seinem Zeigefinger. »Gib gut darauf Acht. Solche Manifestationen sind selten, kostbar und mächtig, wenn man mit ihnen umzugehen weiß.«
Charna dachte an die schwarze Perle. Sie tauchte unvermittelt in ihrer Hand auf und sie zuckte zusammen.
»Was hast du da?« Seral begutachtete die Perle in ihrer Hand.
»Ich habe sie aus einer Muschel. Du warst da und sprachst mit mir.«
Seral lächelte. »Das war ich nicht. Dein Unbewusstes hat zu dir gesprochen und meine Erscheinung als Form gewählt.« Er gab ihr einen Kuss. »Die Perle steht für etwas Bedeutendes in dir, deinem Leben, deinen Gefühlen. Sie erscheint in deiner Hand, wenn du an diese wichtige Sache denkst. Sie ruht in dir, solange du sie ignorierst. Aber sie ist stets da. Sie wird erst dann verloren gehen, wenn du dich dem gestellt hast, was sie repräsentiert.«
Charna starrte auf das schwarze, glitzernde Ding in ihrer Hand und fühlte sein unverhältnismäßiges Gewicht, das sie zu Boden drückte. Seral strich eine Strähne aus ihrem Gesicht und sie sah auf. Die Perle verschwand. Er ergriff Charnas Hand und sie folgte ihm in die Luft, als er sich vom Boden abstieß. Er steuerte direkt auf die kleine Sonne zu, die an der Decke der Höhle hing. Als das Licht schmerzhaft grell zu werden drohte, nahm Charna eine Verzerrung des Raum-Zeit-Kontinuums wahr. Sie waren zurück auf Kabal. Auf eine Weise, die sie nicht begriff, hatte Seral eine Teleportation bewirkt. Obols Sichel hing am Himmel, die Sterne glitzerten im Mantel der Nacht. Serals Flügel wirbelten durch den Wind, der über der Wüste Sa‘Ilak wehte. Sie waren zweihundert Schritt über dem Sandboden. Charna erkannte ein Tierskelett, das mit einem blassblauen Zelttuch bespannt war. Mehmoods Unterkunft. Seral ließ sich auf den Grund herab und zog Charna mit sich. Sie landeten vor Mehmoods Zelt, der bereits herauskam und sich lächelnd verneigte.
»Tee?«, fragte er aufmunternd.
Charna lächelte schief und schüttelte den Kopf.
»Ein anderes Mal. Vielen Dank«, sagte Seral.
Mehmood stöhnte. »Ihr habt keine Ahnung, wie langweilig es hier draußen ist, oder?«
»Ich sorge für ein bisschen Abwechslung. Ich möchte, dass du die Hohepriesterin zu den Sidaji begleitest«, sagte Seral und Mehmood warf Charna einen ernsten Blick zu.
»Ich verstehe. Das kann nur bedeuten, das du Jenara eine Botschaft senden willst«, sagte Mehmood mit einem Nicken in Richtung Seral und verneigte sich dann vor Charna. Die Geste und sein Ausdruck waren feierlich.
»Meine Loyalität ist Euch sicher, Hohepriesterin.«
Charna verneigte sich ebenfalls. »Ich danke Euch, Mehmood.«
»Ihr brecht am Besten sofort auf. Wer weiß, wie lange die Sidaji noch durchhalten«, sagte Seral.
Charna stellte sich auf die Zehenspitzen und küsste ihn auf den Mund. Nach einer halben Minute hüstelte Mehmood indigniert. Seral und Charna lösten sich widerwillig voneinander.
»Hoffentlich bis bald!«, sagte sie leise und Seral lächelte, als er ihr zum Abschied über die Wange streichelte. Er sprang in die Luft und flog mit kräftigen Flügelschlägen in Richtung Mond, bis er nicht mehr zu sehen war.
»Lasst mich schnell ein paar Sachen packen«, sagte Mehmood und verschwand in sein Zelt.
Charna schlenderte einige Schritte durch den immer noch warmen Wüstensand. Die Luft war bereits abgekühlt. Die Reise in den Namenlosen Abgrund war ganz anders verlaufen, als sie gedacht hatte. Sie zupfte die glitzernde Nadel aus ihrem Hüfttuch. Sie wollte unbedingt, dass die Friedensverhandlungen mit den Frostreichen glückten. Doch sie war nicht bereit, die Souveränität Iidrashs preiszugeben. Sie war entschlossen, dafür zu kämpfen. Und sie wusste
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