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Das Feuer von Innen

Das Feuer von Innen

Titel: Das Feuer von Innen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Carlos Castaneda
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sondern weil die Vorstellung eines männlichen Gottes mir unhaltbar erschien. Jetzt verstand ich auch Don Juans Äußerungen darüber. Sie waren nicht im mindesten blasphemisch oder lästerlich gewesen; er hatte sie ja nicht im Zusammenhang mit der alltäglichen Welt getan. Er hatte recht, wenn er sagte, daß es der Vorzug der neuen Seher sei, die Form des Menschen sehen zu können, sooft sie wollten. Aber noch wichtiger erschien mir, daß sie die Nüchternheit besaßen, zu erforschen, was sie da sahen. Ich fragte ihn, wieso ich denn die Form des Menschen immer als männlich gesehen hätte. Er sagte, es sei deshalb, weil mein Montagepunkt damals nicht die Stabilität gehabt habe, in seiner neuen Position fest haften zubleiben, und seitwärts in das Band des Menschen abgeglitten sei. Dies sei ein ähnlicher Fall, wie wenn man die Barriere der Wahrnehmung als Wand sähe. Was jedoch den Montagepunkt zu seiner Seitwärts-Bewegung veranlasse, sei ein geradezu unvermeidliches Verlangen oder Bedürfnis, das Unbegreifliche in uns vertraute Begriffe zu übersetzen: so werde aus der Barriere eine Wand, und die Form des Menschen könne nichts . anderes sein als ein Mann. Wäre ich eine Frau, sagte er, dann würde ich die Form des Menschen wohl als Frau sehen. Er stand auf und meinte, es sei Zeit für uns, einen kleinen Spaziergang in die Stadt zu machen, wo ich die Form des Menschen in der Menschenmenge sehen sollte. Schweigend gingen wir zur Plaza. Aber noch bevor wir dort ankamen, überflutete mich eine unwiderstehliche Welle der Energie, und ich rannte durch die Straßen, bis an den Rand der Stadt. Ich gelangte an eine Brücke, und genau dort sah ich, als hätte sie mich erwartet, die Form des Menschen als ein strahlendes, warmes, bernsteinfarbenes Licht.
    Ich fiel auf die Knie, aber nicht aus Frömmigkeit, sondern als physische Reaktion auf meine Ergriffenheit. Der Anblick der Form des Menschen war erstaunlicher denn je. Ohne alle Überheblichkeit glaubte ich, eine gewaltige Veränderung durchgemacht zu haben - seit damals, als ich sie zum erstenmal sah. All die Dinge, die ich gesehen und gelernt hatte, vermittelten mir nur eine tiefere Dankbarkeit für das Wunder, das da vor meinen Augen geschah. Zuerst überlagerte die Form des Menschen das Bild der Brücke. Dann paßte ich meinen Blick an und sah die Form des Menschen, wie sie sich aufwärts und abwärts ins Unendliche erstreckte; die Brücke war nur ein dürftiges Gehäuse, eine winzige, flüchtig über das Ewige geworfene Skizze. Und dies galt auch für die winzigen Figürchen der Menschen, die sich um mich bewegten und mich mit unverhohlener Neugier betrachteten. Aber ich war für sie unerreichbar, auch wenn ich in diesem Moment so verletzlich war wie nur je. Die Form des Menschen hatte keine Macht, mich zu beschützen oder zu verschonen, und doch liebte ich sie mit einer Leidenschaft, die kein Ende kannte.
    Jetzt glaubte ich auch etwas zu verstehen, was Don Juan mir immer wieder gesagt hatte, nämlich daß wahre Liebe keine Investition sein kann. Mit Freuden hätte ich mich dem Dienst an der Form des Menschen gewidmet, nicht um dessenthalben, was sie mir geben konnte, denn sie hatte nichts zu geben, sondern um der reinen Liebe willen, die ich für sie empfand.
    Ich hatte das Gefühl, als ob etwas mich fortriß, und bevor ich aus ihrem Bannkreis gezogen wurde, rief ich der Form des Menschen ein Gelübde zu - aber eine mächtige Kraft fegte mich beiseite, bevor ich aussprechen konnte, was ich hatte geloben wollen.
    Plötzlich kniete ich neben der Brücke, während eine Gruppe von Bauern sich lachend um mich scharte.
    Don Juan stand neben mir. Er half mir auf, und wir gingen nach Hause.
    »Es gibt zwei Arten, die Form des Menschen zu sehen«, begann Don Juan, als wir uns hingesetzt hatten. »Du kannst sie als einen Menschen sehen, oder du kannst sie als ein Licht sehen. Das ist abhängig von der Verschiebung des Montagepunktes. Geht die Verschiebung zur Seite, dann ist die Form des Menschen eine menschliche Gestalt. Geht die Verschiebung zur Mitte des menschlichen Bandes, dann ist die Form ein Licht. Das einzig Wertvolle, was du heute geschafft hast, ist, daß dein Montagepunkt sich in die Mitte verschob.«
    Die Position, wo man die Form des Menschen sehe, so sagte er, liege in unmittelbarer Nähe jener Positionen, wo der Traumkörper und die Wahrnehmungsbarriere aufträten. Dies sei auch der Grund, warum die neuen Seher empfahlen, die Form des Menschen zu sehen und zu

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