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Das Feuer von Konstantinopel

Das Feuer von Konstantinopel

Titel: Das Feuer von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingmar Gregorzewski
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Jungen aus, mitten auf der offenen Straße. Die Räder der Fuhrwerke und Droschken rollten gefährlich nahe an den beiden vorbei. Aus allen Richtungen schienen sie zu kommen, in alle Richtungen verschwanden sie auch wieder. Gegen den Lärm, den sie verursachten, kämpften die Rufe von Straßenhändlern und Zeitungsjungen an. Ein Karussell aus Lärm drehte sich unaufhörlich in den Ohren von Felix.
    Er starrte auf den Handschuh. Er musste an Onkel Fidelius denken, der sogar den Schlangenkorb verbrannt hatte, nur weil dieser Handschuh es gewagt hatte, ihn zu berühren. Es hatte alles nichts geholfen. Der Handschuh griff nach ihm, wie eine hungrige Python nach einer Maus.
    Felix wusste nur zu gut, dass reden sinnlos war, und er wusste nur zu gut, dass er leben wollte. Also schlug er ein. Sogleich wurde seine Hand fest umklammert und nicht mehr losgelassen. Der Kardinal schien zufrieden.
    Kein Wort sollte gesprochen werden. Keine Frage durfte gestellt werden. Der Weg zur Giraffe sei weit, hatte der Kardinal gesagt, noch ehe sie die Polizeistation verließen.
    Die Polizisten grüßten den Mann ehrfürchtig, als er den Jungen mitnahm.  Keiner stellte ihm irgendwelche Fragen. Sie schlugen Felix zum Abschied aufmunternd auf die Schulter und murmelten so etwas wie: ‚Jetzt wird ja doch noch alles gut.’
    Der Kardinal führte Felix durch die Straßen, als könnte der keinen eigenen Weg finden.  Dabei kannte Felix doch die breiten Alleen, die teuren Geschäfte und die herrschaftlichen Häuser, an denen sie vorbeizogen. Auch die vornehmen Gesichter wirkten vertraut, die ihm entgegen kamen, aber wegsahen, wenn sie seinen Blick spürten. Für sie war er ein Junge in Lumpen, eines von unzähligen Bettelkindern, die durch diese Stadt liefen wie Ameisen, unablässig damit beschäftigt, diesen Tag zu überleben und vielleicht auch noch den nächsten.
    Die elektrische Straßenbahn Nr. 19 rumpelte an ihnen vorbei. Mit ihr war Felix immer zur Schule gefahren. Sie hielt direkt an der Pappelallee. Aber das war in seinem alten Leben. Heute war sie unerreichbar für ihn. Der Schaffner würde ihn sofort wieder hinauswerfen, weil er keine Fahrkarte besaß und sich auch keine kaufen konnte.
    ‚Ich muss in meine Welt zurück’, sagte sich Felix, ‚...aber das geht nur über den Weg, den ich jetzt gehe.’
    Er wusste, dass der Moment ganz sicher kommen würde, an dem er einfach fliehen konnte. Aber jetzt war es noch zu früh.
    Ab und zu sah er Vögel am Himmel kreisen. Doch Suleika konnte Felix unter ihnen nicht entdecken. Hatte sie den Kardinal alarmiert, ihm verraten, dass er im Gefängnis zu finden sei? Suleika war ein unberechenbares Wesen. Hielt sie zu ihm oder half sie dem Kardinal?
    Denkmäler von Königen und Kaisern reihten sich auf dem Grünstreifen, bunte Blumenrabatten zu ihren steinernen Füßen. An anderer Stelle drehte eine Bettlerin direkt vor einem vornehmen Geschäft ihre Runden. Um das Mitlied der Passanten zu erwecken, zog sie ihren Fuß nach, als wäre der verletzt. Als sie den Kardinal anstarrte, schüttelte der unmerklich den Kopf: Sie solle bleiben, wo sie war! Die Frau gehorchte und lachte Felix frech hinterher. Scheinbar wusste sie mehr über sein Schicksal, als der Junge selbst.
    ‚Es gibt eine große Verschwörung in dieser Stadt und ich spiele eine Rolle darin’, dachte sich Felix und sprach kein Wort, so wie es ihm geheißen wurde.
    ‚Die Armen sind die Schatten, die einem auf Schritt und Tritt folgen’, hatte Fräulein Romitschka immer gerne erklärt.
    Pferdekarren, Autos, Fahrräder, Handwagen, Straßenbahnen – alles das verursachte ein unablässiges Rollen, Rufen, Klingeln und Tuten. Nichts stand jemals still. Felix kam es vor wie die Musik des Lebens. Er war froh, mittendrin zu sein. Er fühlte sich auf eine seltsame Art getröstet und in Sicherheit.
    Der Kardinal schritt unbeirrt voran. Nichts konnte ihn aufhalten.
    Es kam die Stelle, da wurden die Straßen Schritt für Schritt schmaler, dunkler, schmutziger und unübersichtlicher. Die Häuser, die sie säumten, schäbiger und die Läden weniger. Die Stadt zeigte ihr hässliches Gesicht.
    Felix wusste, wie die Menschen diesen Teil der Stadt nannten: 'Krätzeviertel’. Nie zuvor in seinem Leben hatte er einen Fuß in diese Welt gesetzt. Aber er hatte davon gehört. Er bestaunte die Dächer, die schief und niedrig auf den Häusern hingen, als würden sie ein Geheimnis bedecken, das niemals das Licht der Welt erblicken durfte.
    Müll und Unrat

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