Das Feuer von Konstantinopel
gestohlen.
„Leg’ endlich die verdammte Geige in den Kasten!“, schnauzte der Kardinal Esther an. „Der Stein gehört uns. Es ist soweit. – Beeil dich! Wir holen jetzt Baptist, den einzig wahren Meisterdieb!“ Der Mann lachte laut los. Angst davor, die Wachen könnten etwas von seinen Plänen mitbekommen, schien er nicht zu haben. Er war wie in einem Rausch. Er zog Schubladen auf und öffnete Schranktüren, als gäbe es auch im Zimmer von Esther etwas zu stehlen.
„Was wird aus uns, wenn Sie den Stein haben?“, fragte Esther. Sie zeigte nicht die geringsten Anzeichen, seinen Anweisungen zu folgen.
Der Kardinal drehte sich zu ihr.
„Mach’ mich nicht wütend, du dumme Göre!“ Seine Stimme klang gefährlich.
Esther wich zurück.
„Ich habe vom Fenster ausgesehen, wie Sie und dieser Kutscher die Klimovskanowa getötet haben“, sagte sie.
„Hast du deinen Verstand verloren? Was redest du da für irres Zeug? Ich könnte diese Frau niemals töten, eher würde ich sterben!“ Der Kardinal kam jetzt bedrohlich näher.
„Aber dich, dich bringe ich um, ohne mit der Wimper zu zucken. Wage also nicht, mir Schwierigkeiten zu machen!“, fauchte er Esther an. „Ich stoße dich zum Fenster hinaus. Die verhexte Geige hinterher!“
Esther bewegte sich keinen Schritt. Mutig stellte sie sich dem Mann in den Weg.
„Ich mache nicht mehr mit! – Was haben Sie der Sängerin angetan? Sie wollte mir helfen!“
„Nun gut!“, sagte der Kardinal seelenruhig und strich seinen Handschuh glatt. „Du wirst deine Lektion schon noch lernen!“
Mit der roten Hand drehte er den Schlüssel in der Zimmertüre um, zog ihn ab und steckte ihn in seine Jackentasche. Esther war gefangen.
Baptist krallte sich an den Mauern des Schlosses fest. Das war nicht leicht, aber er war glücklich. Er fühlte sich frei. Tief atmete er die frische Nachtluft ein. Vom Hof her hörte er die Kutschpferde wiehern und wie der Kutscher sie mit ein paar Worten zu beruhigen versuchte.
Baptist versteckte sich in einer Fensternische. Er hatte Angst, der Kutscher könnte ihn hier oben entdecken. Aber der schlug unten mit einem Besen um sich und schimpfte.
„Verdammte Rattenbrut, lasst mir die Gäule in Ruhe!“ Wütend warf er den Besen in eine Ecke und ging zurück in die Stallungen, nachdem er die Ratten vertrieben hatte.
Vorsichtig setzte Baptist seine Wanderung fort. Bis ihm etwas auffiel.
‚Warum höre ich die Geige von Esther nicht mehr? Es wird ihr doch nichts zugestoßen sein?’, fragte er sich.
Felix und Giacomo waren dem Prinzen gefolgt. Davon hatte der natürlich nichts bemerkt. Denn die beiden waren durch die Mauergänge und nur ab und zu, um den Weg zu verkürzen, über eine Geheimtüre mitten durch ein leeres Zimmer geschlichen.
So war es ihnen gelungen, vor dem Prinzen an dessen Zimmer anzukommen. Giacomo legte den Durchblick in den Raum, ein weiteres kleines Loch in der Wand, frei.
„Ich schäme mich!“, flüsterte er gequält, als Felix ihn verwundert ansah. Mit so einem Ausblick hatte der Junge nicht gerechnet.
„Du kannst ja sein ganzes Zimmer überblicken, sogar das Figurentheater!“
„Aber so weiß ich immer, wie es ihm geht. Natürlich, im Grunde ist es nicht recht...!“, versuchte Giacomo sich zu rechtfertigen.
„Still...!“, zischte Felix. „Er kommt!“
Mit dem Rubin in der Hand betrat der Prinz seine Gemächer. Im Kerzenschein schimmerte matt der Wald des Figurentheaters in einem märchenhaften Grün. Während auf dem Tisch, inmitten der verstreuten Zinnsoldaten, der ausgestopfte Wolf stand. Es war eine lebensgroße Nachbildung des Tieres, seine beiden Augenhöhlen leer.
„Er ist so traurig, das arme Kind...!“, flüsterte Giacomo. „Ach, könnte ich ihn doch noch einmal in den Arm nehmen!“
Felix konzentrierte sich weiter auf das, was im Zimmer des Prinzen vor sich ging, was genau der mit dem kostbaren Stein vorhatte.
„Bitte, darf ich einmal sehen...?“, bettelte Giacomo neugierig geworden.
„Nur einen kleinen Moment noch!“, antwortete Felix und dachte gar nicht daran, seinen Platz zu räumen.
In seinem Zimmer hielt der Prinz plötzlich inne. Ihm war, als hätte er etwas gehört.
Felix merkte das und wagte kaum noch zu atmen.
Mit ruhiger Hand strich der Prinz Klebstoff in die leere Augenhöhle des Wolfes und setzte dann den Rubin ein. Zufrieden betrachtete er sein Werk. Mit einem Ruck hob der das Tier vom Tisch und trug es zu dem Figurentheater, um es dort mitten in
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