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Das Feuer von Konstantinopel

Das Feuer von Konstantinopel

Titel: Das Feuer von Konstantinopel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ingmar Gregorzewski
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dagegen“, sagte sie ungeduldig.
    „Ich kann nicht. Ich habe versprochen, den Prinzen zu besuchen. Er wäre sicher enttäuscht, wenn ich mein Wort breche“, log Baptist. Er wollte Frau von Waldburg nicht misstrauisch machen. Baptist hatte nie in seinem Leben mit dem Prinzen auch nur ein Wort gewechselt. Aber darüber konnte Frau von Waldburg in der Eile nicht groß nachdenken.
    „Lebewohl, Esther! Wer weiß, wann wir uns wiedersehen“, sagte Baptist traurig.
    „Also dann... Die hohen Herrschaften warten!“, rief Frau von Waldburg fröhlich aus. Esther hatte keine Gelegenheit mehr, zu antworten. Denn die Hofdame hatte sie einfach mit sich gezogen und war mit ihr um die nächste Ecke verschwunden.
    Baptist blieb mit dem Kardinal alleine zurück. Die beiden sahen einander an. Der Kardinal strich mit seinem roten Handschuh über die Wange des Jungen, als wollte er ihn trösten.
    „Klug von dir, bei mir zu bleiben. – Sei nicht traurig, Baptist! Mach’ dir keine Sorgen. Ich habe das Siegel der Kaiserin. Uns beiden kann nichts passieren. Wir werden hier heil herauskommen. Niemand kann uns aufhalten. Hier, sieh es dir genau an.“
    Der Kardinal wollte Baptist das Siegel zeigen. Er suchte es in seinen Jackentaschen.
    „Ich hatte es doch eingesteckt. Es ist weg!“, rief er verzweifelt aus. „Jemand hat es mir gestohlen!“
    Hektisch zog er die Jacke aus, schüttelte sie, kehrte alle Taschen nach außen. Doch das Siegel der Kaiserin blieb verschwunden.
    „Verflucht...! Wer war das?“ Der Kardinal kochte vor Wut.
    Baptist sah ihn nur stumm und mit großen Augen an.
    Mit einem Schlag setzte die Polka ein. Aus den offenen Fenstern des Ballsaales wehte sie fröhlich über den Hof. So wie in der ‚Neuen Welt’, wurde auch im Schloss vor Vergnügen getrampelt und gejohlt. Die Polka machte alle verrückt.
    „Diese gemeine Diebin! Diese Hexe!“, brüllte der Kardinal. „Nur sie kann es gewesen sein, vorhin, als wir um die Geige gerungen haben. Sonst ist mir niemand nahe gekommen. Sie war es!“
    Wütend schleuderte er seine Jacke zu Boden.
    „Starr’ mich nicht so an!“, tobte der Kardinal. „Sie haben dich alle verlassen. Ich bin der Einzige, der dir noch bleibt. Wann kapierst du das denn endlich?“
    Baptist sah den leeren Flur hinunter. „Wir müssen da entlang. Der Prinz hat den Stein. Ich habe vom Fenster aus gesehen, wie er ihn mitgenommen hat!“, sagte er ganz ruhig.
    „Ist das wahr?“, fragte der Kardinal.
    „Er hat ihn genommen, ich konnte alles beobachten. Niemand sonst hat etwas davon gemerkt, da bin ich mir sicher!“, antwortete Baptist überlegt.
    „Was für ein kluger Junge du bist!“ Die Laune des Kardinals erhellte sich mit einem Schlag. Er hob seine Jacke vom Boden auf und lief los.
    „Na komm’ schon! Uns bleibt nicht viel Zeit!“
    Traurig setzte sich Baptist in Bewegung, um ihm zu folgen.
    ‚Er ist der Einzige, der mir bleibt!’, pochte es in seinem Herzen.

 
    19 .
     
    Nur noch du? Und ich? Alleine? Bleib gelassen. Ich meine, wer vermisst uns schon? Das Schiff leert sich. ‚Die Erde hat euch wieder’, rufe ich allen zu, die gehen. Das ist doch euer Element – die Erde! Natürlich braucht ihr zum Leben auch Luft, Wasser und Feuer. Aber zur Erde habt ihr doch das größte Vertrauen. Sie gibt euch Sicherheit und sie nimmt euch zurück, wenn ihr gestorben seid. Asche zu Asche, Staub zu Staub.
    Bei den ersten Schritten an Land werdet ihr noch die See in den Beinen spüren und schwanken wie Matrosen bei Kap Hoorn. Aber bald schon habt ihr wieder Fuß gefasst in euerem Erdendasein. Ihr werdet glauben, es gebe nichts Anderes und nichts Wichtigeres auf der Welt als eure Schritte. Listige Lügen werden euch antreiben, ihr werdet euch hervortun, vielleicht mit ein paar Zaubertricks, vielleicht mit eurem Zorn. Abends am Kaminfeuer werdet ihr von eurer Reise schwärmen, großzügig Geschenke verteilen,  flüstern und Blicke tauschen. Ihr werdet wieder ganz die alten, gedankenlos und misstrauisch. Die Eindrücke der mühsamen Reise haben euch nichts gelehrt. Sie war vergebens.
    Ach, was rede ich da? Die Müdigkeit verleitet mich dazu. Ich schweife ab. Die Möwen schreien so laut. Sie schweben durch die Luft und kreischen in einem fort. Hast du noch einen Simit? Gib ihn nicht her. Lasse ihn dir besser selber schmecken. Sollen die Möwen doch zum Çırağan Palast fliegen und dort betteln. Sultan Abdülaziz wird sich freuen, der alte Knauser.
    Es ist so schade, dass Felix nicht mit

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