Das Filmbett
den beiden Institutionen, die damals noch Film ermöglichen
konnten, nicht unterstützt: den Gremien und den Verleihfirmen. Beides sind
Geldverleiher von Balzac’schem Cäsarismus. Die Gremien verleihen Geld, das
ihnen nicht gehört, sondern dem Steuerzahler, die Verleiher verleihen Geld, das
sie nicht haben, aber von Menschen kriegen, die keine Steuern zahlen wollen.
Die einen tun es mit Präpotenz, die anderen mit Ignoranz.
Irgendwie kam der Film zustande.
Swantje machte ihre Sache gut, der Film war interessant und ein totaler
Mißerfolg. Nicht nur beim Publikum, das ihn nicht verstand, sondern auch bei
der Presse, die ihn nicht verstehen wollte. Es gab zu wenig zu interpretieren.
Er hatte allerdings auch eine entscheidende Fehlbesetzung, den jungen
Produzenten nämlich, eine Eintagsblüte im bundesdeutschen Film, schlicht eine
Flasche und zwar konsumgerecht, aber umweltverschmutzend, eine Einwegflasche.
Mit Swantje als Muse des »Neuen
deutschen Filmes« war es also nichts. Ian verlor sein ganzes Geld und gewann
einen Schuldenberg. Swantje hatte zum erstenmal in ihrem Leben Geldsorgen. Die
Ersparnisse eines ganzen Lebens waren dahin. Sie blieb beim Film, aber sie
wandte sich der anderen Seite zu. Sie verzichtete auf die Kunst und verkaufte
sich dem Kommerz. Sie wurde ohne Schwierigkeit ein Star des Pornofilms. Sie war
es ungern. Sie tat da etwas, was ihr widerlich war — nicht aus moralischen oder
ethischen Gründen. Sondern weil dieses ganze Gebumse Tinnef war, unehrlich,
unsolid, mies. Ob man Soft- oder Hardcore-Ware herstellte, d. h. ob der Geschlechtsakt
fingiert und simuliert oder faktisch vollzogen wurde, ob der zufällige Partner,
wenn er versagte, durch die Großaufnahme des Genitals eines Doubles ersetzt
wurde — auf jeden Fall machte der Coitus unter den Zwängen der maximalen
optischen Anschaulichkeit, der Interruptus, der durch Einstellungs- und
Filmkassettenwechsel erzwungen wurde, die ganze Angelegenheit zur Farce.
Publikum hätte Swantje nicht gestört, aber die stets sprungbereite Belegschaft
im Studio verwandelte die Sexszenen zu einem chirurgischen Eingriff in einem
OP. Man liebte sich schon im prüden Film von früher höchst unkomfortabel.
Fotogene Filmküsse und Umarmungen wurden seit der Erfindung des Laufbildes
immer in unbequemen Positionen ausgetauscht. Im Porno aber war jeder Sexakt weniger
eine geschlechtliche als eine artistisch akrobatische Nummer.
Swantje hätte sich ihrer
Darstellungsaufgabe - gelegentlich — mit Einsatz gewidmet. Das eine- oder
anderemal war ihr der Partner nicht unangenehm. Aber man ließ sie ja nicht. Man
dirigierte sie, gab ihr das Tempo vor, befahl ihr Stellungs- und
Rhythmusveränderung, und vor allem bat man sie, sich die Haare unaufhörlich aus
dem Gesicht zu streichen, damit z. B. bei Fellatio ihre orale Betriebsamkeit an
den mühsam zu Stande gekommenen Herren durch Sichtbehinderung nicht unwirksam
wurde. Alles war Routine, Klischee, nichts Inspiration. Das ad-lib-Agieren
durfte die beschränkten Raum-, Zeit- und Lichtgegebenheiten des Aufnahmeortes
nicht außer acht lassen. Der Zwang, demonstrativ in und für die Kamera zu
spielen, versetzte Swantje so oft in Rage, daß sie ganze Szenen schmiß.
Als sie wieder einmal durch die
Anweisungen ihres Regisseurs irritiert wurde, der sie anfeuerte und
kommandierte, wie es vielleicht ein Fußballtrainer mit seiner Vereinself macht
und mit sich überschlagender Stimme immer wieder »Expreschn« und »Äktschn«
forderte und »Gib’s ihm« und »Zeig’s ihm« bellte, als er, um die Stimmung
anzufachen, eine heiße Scheibe aus der Tonkabine ins Studio einspielen ließ und
für gehörige Phonstärke sorgte, reagierte sie auf überraschende und völlig
absurde Weise geradezu wahnwitzig rabiat, mit dem Resultat, daß sie sich
gleichsam aus der bislang einzig praktizierten optischen Ausdrucksdimension
heraussprengte und mit Aplomb in eine neue eintrat. Während sie ihren Partner
mit ihren Beinen fest umklammert hielt, fiel sie mit ihrer vollen Stimme — von
der bisher noch nie die Rede war — in die Rockmusik ein und improvisierte wie
ein versierter Pop-Profi die ganze LP im Free-Jazz-Stil, kunstvoll wie Janis
Joplin, und wackelte dabei ihren Partner mit den obszönen Körperbewegungen
eines Mike Jagger derart ab, daß dieser seine längst fällige Lustlösung erlebte
und das ganze Studio zu applaudieren begann.
Es ist im Schaugeschäft nicht
selten, daß ein Star beim Beischlaf entdeckt wird. Doch nach
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