Das Filmbett
erblickt hatte. Und zwar im Kiez, in den Hinterhofgassen der Reeperbahn. Ihre Mutter war ein vom burgenländischen Neusiedlersee ausgerissenes Mädchen bescheidener Herkunft, das von einem Zuhälter auf dem Babystrich des Wiener Neuen Marktes - diesem schönen Platz mit dem Barockbrunnen Andreas Donners - aufgegriffen und mit massiven Drohungen und mit Hilfe einer rechtzeitigen Drogenspritze widerstandslos über die bundesdeutschen Grenzen auf die schiefe Reeperbahn verbracht worden war. Hier hatte der Zuhälter Konvalinka in engem Verbund mit Kollegen österreichischer Provenienz eine stattliche Quadrille zweibeiniger Lippizaner-stuten aufgestellt, Pferdchen, die sie für sich laufen ließen, Mädchen also aus den ehemaligen Kronländern, die sie mit den harten, aber wirksamen Dressurmethoden der spanischen Reitschule so zuritten, daß ihre bravourösen Leistungen den neuesten Errungenschaften des Milieus, den asiatischen Fertigkeiten der Liebesmädchen aus Vietnam, Thailand und Kambodscha durchaus gleichwertig wurden.
Ein Zwist, bei dem das weißhäutige Pferdchen von der ungarischen Grenze den Prozentsatz seiner Einnahmen dem Beschützer streitig zu machen suchte, brachte ihr einige Messerstiche an der Wange ein, die sie einem Teil ihrer Kunden durchaus interessant machten und darüber hinaus dazu führten, daß sie von Konvalinka geheiratet wurde, wodurch sich ihre juristische Situation bei einer Aussageverweigerung in einem längst anfälligen Prozeß vor den Strafrichtern zugunsten Konvalinkas entscheidend änderte.
So kam Swantje legitim auf die Welt. Ihren seltenen Vornamen verdankte sie der romantischen Verträumtheit ihrer Mutter und deren ostmärkischer Neigung zur fremdartigen Geest- und Dünenlandschaft, für die die Shantysängerin aus St. Pölten, Lolita, und der Österreicher Freddy Quinn klassische Beispiele aus dem Schaugewerbe boten.
Bei dem bald nach ihrer Geburt ausbrechenden Krieg zwischen Ottakring und der Großen Freiheit, zwischen einheimischen und eingewanderten Loddeis, der um die Dominanz auf der sündigen Bannmeile rund um die berühmte Davidswache geführt wurde und bei dem Türken, Perser und vor allem Österreicher aus der Brigittenau die Qualität altherkömmlicher Gebrauchsgegenstände wie Stilette, Dolche, Klappmesser und Totschläger sowie die modernsten Erzeugnisse der Handwaffenindustrie tschechoslowakischer und Schweizer Herkunft erfolgreich am Mann erprobten, gerieten die Eltern in einen Hinterhalt und kamen ums Leben. Swantje wurde Waise und in ein Heim gebracht. Sie traf es - im Gegensatz zu manchen sozialen Reportagen der Boulevardpresse - dabei gar nicht schlecht. Sie besuchte eine Sonderschule, lernte Gitarre spielen und absolvierte die Schneiderinnenlehre mit guten Ergebnissen. Mit vierzehn Jahren wurde sie -ohne nennenswerten Widerstand - von ihrem Heimleiter entjungfert und entschloß sich - nach dieser ersten schmerzhaften Liebeserfahrung - die daraus resultierenden Körperübungen zu mögen und sie sich bei passenden Gelegenheiten nicht entgehen zu lassen. Sie gehörte nie zur gefährdeten Jugend des Milieus, es gab keine Bambule und keine Komplexe wegen mangelnder Streicheleinheiten. Sie hatte keine Neigung zum Gammeln, verfiel nicht der Jugendprostitution aus Drogensucht oder dem Alkohol, wurde weder - wie es dem kurzfristigen Zeittrend entsprach - ein Hippie noch ein Jesuskind.
Sie hatte wenig Wesenhaftes von ihren Eltern mitbekommen. Irgendwelche Erbanlagen mußten bei ihr Generationen übersprungen haben. Blauäugig und hellblond war sie eine sweete Deern von der Wasserkante und konnte für eine Skandinavierin gehalten werden. Aber für eine Schwedin war sie seelisch zu wenig verkrampft und für eine Dänin fehlte ihr die verspielte, fröhliche Albernheit. Sie hatte nichts von der moldowalachischen Balcanitä ihrer Mutter, nichts von dem öligen slowenischen Brutalcharme ihres Vaters, nichts von dem köstlichen Aroma von Knoblauch und Mohnnudeln ihrer slowakischen Großmutter oder dem magyarischen Zie-geunerwesen ihres Großvaters. Als sie mit sechzehn plötzlich - fast über Nacht - bildhübsch geworden war, schien aus dem Schmelztiegel des ehemaligen Donauimperiums nichts auf sie übergegangen zu sein, womit sie sowohl die Milieutheorie Hippolyth Taines wie die Vererbungserkenntnisse der genetischen Wissenschaft ad absurdum führte. Wenn man, was immer mißlich ist, nach einer pauschalen Entsprechung sucht, so könnte man sie am ehesten mit jenen Maiden
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