Das Finale
Nein
gesagt«, blieb Dr. Habelmann unnachgiebig. »Für mich gibt es kein Abwägen
verschiedener Interessen. Ich hab einen Patienten, dem ich bestmögliche medizinische
Hilfe zuteilwerden lasse. Dazu gehört auch, dass sich mein Patient nicht
aufregt. Abgesehen davon dürfte Ihnen ein Gespräch nicht weiterhelfen, da Herr
Özden überhaupt nicht ansprechbar ist.«
In diesem Moment
öffnete sich eine Tür. Frauke war überrascht.
»Dottore Carretta?
Sie?«, begrüßte sie den zierlichen Anwalt. Der Rechtsvertreter machte einen
nahezu gebrechlichen Eindruck. Seit ihrer letzten Begegnung schien der Dottore
noch einmal gealtert zu sein.
»Frau Dobermann«,
begrüßte sie der alte Mann mit seiner dünnen Stimme. »Es wundert mich nicht,
Sie hier zu treffen.«
»Sie wollen damit
sagen, dass Özden Ihr Mandant ist?«
Dottore Carretta
nickte bedächtig. » Sì . Das ist zutreffend.«
Dr. Habelmann
breitete die Arme aus, als würde er eine Hühnerschar vor sich hertreiben.
»Würden Sie Ihr
Gespräch bitte an einem anderen Ort fortsetzen?«, sagte er mit Bestimmtheit.
»Sie wollen nicht im
Ernst zulassen, dass der Mörder ungestört mit seinem Anwalt sprechen kann, aber
mir der Kontakt verwehrt bleibt?«
»Doch!« Der Arzt
nickte ernst. »Ich habe alle Sympathie dieser Welt für Ihr Anliegen. Aber das
zählt nicht. Maßgeblich ist einzig das Wohl des Patienten. Also! Bitte!« Er
wies in Richtung Ausgang.
Es half nichts.
Frauke würde keinen Zutritt zu Özden erhalten. Sie wandte sich an Dottore
Carretta. »Sie sind mir eine Erklärung schuldig«, sagte sie barsch.
Der Anwalt nickte
freundlich. »Aber gern.« Er sah auf die Uhr. »Ich habe jetzt einen
Gerichtstermin. Sie wissen, dass ich den wahrnehmen muss. Darf ich Sie heute
Abend zum Essen einladen?«
»Nein«, antwortete
Frauke bestimmt. »Einladen nicht. Aber ich treffe mich gern mit Ihnen. Schicken
Sie mir eine SMS ?«
Dottore Carretta
lächelte ihr milde zu. »Das wird nicht möglich sein. Ich habe keine so modernen
Geräte.« Er zeigte seine knochigen alten Hände. »Damit ginge das auch nicht
mehr. Sagen wir, um halb acht im ›Gallo Nero‹.«
Frauke nickte. »Ich
bin gespannt«, sagte sie zum Abschied.
Im
Landeskriminalamt suchte sie Nathan Madsack auf. Der Hauptkommissar schrak auf,
als sie sein Büro betrat. Er hielt die Hand vor den Mund, nachdem er sich zuvor
einen Schokoriegel gegönnt hatte. Er schluckte hastig.
»Mir drohte die
Unterzuckerung«, sagte er entschuldigend.
Frauke ging nicht
darauf ein.
»In fünf Minuten im
Besprechungsraum«, sagte sie.
Sie mussten auf
Jakob Putensenf warten, der sich aber entschuldigte. »Ich habe mit dem
Finanzamt in Braunschweig gesprochen«, sagte er. »Frau Sonnenschein ist die
zuständige Sachbearbeiterin. Natürlich habe ich keine Auskunft erhalten.
Zwischen den Zeilen hat mir die nette Frau aber zu verstehen gegeben, dass die
Reichenberger Immobilien Verwaltung aus Sicht der Finanzverwaltung unauffällig
ist.«
»Das gehört zur
Methode der Organisation«, erklärte Frauke. Dann berichtete sie, dass Dottore
Carretta das Mandat Necmi Özden übernommen hatte und ihr Versuch, den Mörder zu
sprechen, erfolglos gewesen war.
»Da hat es die
Polizei in Bananenrepubliken besser«, warf Putensenf ein. »Denen werden nicht
so viele Knüppel zwischen die Beine geworfen.«
»Lieber einen
Knüppel zwischen den Beinen als über den Schädel, wie es in den von Ihnen
genannten Bananenrepubliken nicht unüblich ist.«
Putensenf grinste.
»Ich dachte, als Frau würde Sie ein anderer Knüppel viel mehr reizen.«
Sie musterte ihn
eindringlich von den Haarspitzen bis zum Bauchnabel, der halb von der
Tischkante verdeckt war. »Um bei Ihrem Thema zu
bleiben: Nur beim sonntäglichen Frühstück liebe ich weich gekochte Eier. Sind
die bei Ihnen Standard? Und damit zurück zu unserem Thema.
Es entspricht der Methode der Organisation, nicht aufzufallen. Die Gefahr, in
Deutschland entdeckt zu werden, ist bei Steuerschummeleien am größten. Das
wissen auch die Hintermänner.« Sie sah Madsack an. »Haben Sie Neuigkeiten?«
»Wir haben einen
vorläufigen Bericht der Rechtsmediziner«, begann der Hauptkommissar seinen
Bericht. »Schmidtke muss sofort tot gewesen sein. Es gibt keinen Hinweis auf
eine Gegenwehr, das heißt keine verwertbaren Spuren vom Täter.«
»Das war ein Profi«,
warf Putensenf ein und vergewisserte sich durch einen Seitenblick auf Frauke,
dass sie ihm die Zwischenbemerkung nicht übel nahm.
»Das
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