Das Finale
nickte
bedächtig. In seinem unkontrollierten Zorn hatte Richter soeben zwei Dinge
verraten. Die SMS galt tatsächlich dem Paten. Und
Richter kannte ihn. Wenn er direkten Kontakt zum Kopf der Organisation
aufnehmen konnte, musste Richter eine hohe Position innegehabt haben. Das
erklärte auch, weshalb er fast panisch reagiert und den jungen Kollegen Lars
von Wedell so brutal ermordet hatte, auch wenn es womöglich immer ein Geheimnis
bleiben würde, was der Kommissar herausgefunden hatte.
Frauke ignorierte
Richters Fluchen und die Beschimpfungen. Um ihn würden sich die Vollzugsbeamten
kümmern. Sie bedankte sich bei den Männern des Mobilen Einsatzkommandos und
kehrte mit ihrem Team zum Landeskriminalamt zurück. Sie fuhr mit Schwarczer in
einem Auto. Unterwegs musterte sie den Kommissar, dessen Schweigen ihr fast
unheimlich war.
Auf der
Dienststelle rief sie ihre Mitarbeiter im Besprechungsraum zusammen.
»Was sollte die
ganze Aktion?«, ereiferte sich Putensenf. »Welche Erkenntnisse hat sie uns
gebracht? Glauben Sie wirklich, dass jemand wie Richter so blöde ist und uns
auf die richtige Fährte setzt?«
»Ja«, sagte Frauke.
»Auch jemand mit viel Erfahrung wie Ihr ehemaliges Idol Richter wird durch die
Haft zermürbt, durch die Ungewissheit, was werden wird. Er weiß, dass er wenig
Aussichten hat, davonzukommen. Und es spricht sich herum, dass Richter von der
Schmiere ist. Ein ehemaliger Greifer … Wie groß mag der Hass mancher Insassen
auf solche Leute sein? All das ist Richter bewusst. Er lag vierundzwanzig
Stunden am Tag auf seiner Pritsche, scheute aus Angst den Kontakt zu anderen
Mithäftlingen. Und so wird es weitergehen. Jahr um Jahr. Und plötzlich ist er
frei. Da gehen alle Vorsichtsmaßnahmen über Bord. Er hat nur das eine Ziel vor
Augen. Weg! Und nur einer kann ihm dabei helfen. Richter weiß, dass Teile der
Organisation von uns zerschlagen wurden, dass neue Köpfe nicht so schnell
nachwachsen.«
»Und woher wollen
Sie das wissen? Bauchgefühl? Bei Frauen kann es sich doch nur um eine
Schwangerschaft handeln, wenn sie vom Bauchgefühl reden.«
»Und bei Männern um
einen angesoffenen Bierbauch. Aber wenn es Sie interessiert, Putensenf: Es ist
Erfahrung.«
»Erfahrung! Pah! Wo
denn? In Flensburg?«
»Jakob!«, mischte
sich Madsack ein. Selten hatte Frauke den Hauptkommissar so bestimmt sprechen
hören. »Niemandem in dieser Runde können deine ewigen Sticheleien imponieren.
Vermutlich hat die Chefin mehr Erfahrung als wir alle zusammen.«
Putensenf wandte
sich ab und kehrte den anderen den Rücken zu.
»Chefin«, sagte er.
Es sollte abwertend klingen.
»Ja, Jakob. Chefin!
Und eine verdammt gute. Oder, Thomas?«
Schwarczer sah Madsack
an. Das Nicken war kaum wahrnehmbar.
»Lass den Iwan aus
dem Spiel«, murmelte Putensenf.
Jetzt reichte es
Frauke.
»Putensenf! Sie
verlassen augenblicklich den Raum.«
Mit einem Ruck sah
Putensenf sie an. »Was haben Sie gesagt? Sie wollen mich hinauswerfen?«
»Ja. Und nicht nur
aus dem Raum. Ich will Sie auch aus dem Team entsorgen.«
»Entsorgen?«
Putensenf war sprachlos.
»Ich bediene mich
nur Ihrer Ausdrucksweise. Ein notorischer Störenfried wie Sie ist hier
unerwünscht.«
Schwarczer räusperte
sich. »Ich glaube, der Kollege ist nur ein wenig angespannt und überarbeitet.
Er meint es nicht so, wie er es gesagt hat. Ich fühle mich jedenfalls nicht
angegriffen.«
»Putensenf!« Frauke
zeigte mit ausgestrecktem Finger Richtung Tür.
Der
Kriminalhauptmeister stand auf. Im Vorbeigehen legte er Schwarczer die Hand auf
die Schulter.
»Verzeihung,
Thomas«, sagte er leise. »War nicht so gemeint.« Dann verließ er den Raum.
Frauke räusperte
sich. »Wo sind die Schloss-Arkaden?«
Madsack und
Schwarczer wechselten einen raschen Blick. Beide schwiegen.
»Wir haben ein
sachliches Thema«, mahnte Frauke. »Sie kennen sich in Hannover aus.«
Madsack zog die
Schultern in die Höhe. »Ich kenne keine Schloss-Arkaden.«
Frauke sah
Schwarczer an. Der schüttelte den Kopf. »Gäbe es sie, würde ich sie kennen.«
Mauerten die beiden
Mitarbeiter, um sie vorzuführen?
Schwarczer stand
auf. »Ich besorge uns einen Laptop.« Wenig später kehrte er zurück, loggte sich
ins Internet ein und suchte nach dem Begriff.
»Vermutlich
Braunschweig«, sagte er.
»Das könnte Sinn
machen. Hannover ist den Leuten mittlerweile zu heiß geworden«, sagte Frauke.
Sie versuchte, aufkeimenden Zweifel zu verbergen. Was wäre, wenn Richter das
Spiel durchschaut
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