Das Finale
hätte und sie hereingelegt hätte? War Braunschweig der
richtige Ort? Wollte sich Richter dort wirklich mit dem Paten treffen? Frauke
war sich bewusst, dass ihre kurze Karriere beim LKA Niedersachsen an einem seidenen Faden hing.
Schwarczer hatte
weitere Eingaben getätigt. »Die öffnen um halb zehn morgens«, sagte er. Dann
erklärte er, dass es sich um ein Einkaufscenter in der Braunschweiger City
handelte. Er zählte einige der Ankermieter auf, darunter einen Elektronikmarkt,
einen Lebensmittelsupermarkt, eine Buchhandlung und Textilketten.
»Es reicht«,
unterbrach ihn Frauke. »Madsack, nehmen Sie Kontakt zum Centermanagement auf.
Wir müssen vor Geschäftseröffnung hinein und uns die Örtlichkeiten ansehen.
Informieren Sie das Mobile Einsatzkommando. Wir wissen nicht, ob der Pate nicht
mit Leibwächtern auftritt. Ein Blutbad unter den Kunden wäre das Schlimmste,
was passieren kann.«
»Sollten wir unter
diesen Bedingungen die Aktion nicht abblasen?«, fragte Madsack zaghaft.
»Eine solche
Reaktion hat der Pate vielleicht einkalkuliert. Deshalb hat er einen belebten
Ort gewählt. Nein. Wir müssen die Sache durchziehen. Das Finale!« Hoffentlich,
fügte sie in Gedanken an.
Alle sahen zur Tür,
die sich leise öffnete. Putensenf steckte seinen Kopf herein.
»Ich möchte nicht
stören«, sagte er, »aber eben ist eine Information über Mail eingetroffen. Ich
dachte, die ist für die morgige Planung wichtig.« Er wedelte mit einem
Computerausdruck. Dann reichte er ihn Frauke und blieb neben ihr stehen wie ein
Hund, der nach dem Apportieren auf seine Belohnung wartet.
»Das ist wirklich
eine Überraschung«, sagte Frauke und gab den Ausdruck an Madsack weiter, der
ebenfalls sein Erstaunen bekundete. Schwarczer las die Information ohne jede
erkennbare Regung.
Putensenf schlich
auf leisen Sohlen zu dem Platz, den er zuvor hatte verlassen müssen. Unhörbar
hob er den Stuhl an, zog ihn zurück und nahm Platz. Niemand hinderte ihn daran.
»Ich glaube, die
Chefin hat recht«, sagte Putensenf kleinlaut und zeigte auf das Papier. »Wie
gehen wir vor?«
Madsack erklärte es
ihm, wurde aber durch sein Handy unterbrochen.
»Ja – ja. Schade.
Wirklich nicht? Danke.« Dann sah er Frauke an. »Das waren die Kollegen von der
Technik. Das Telefon, zu dem Richter Kontakt aufgenommen hat, war ein nicht
identifizierbares Prepaidhandy.«
»Mich hätte alles
andere verwundert«, unterbrach ihn Frauke.
»Man konnte aber die
Zelle ermitteln. Der Teilnehmer hat sich im Zentrum Wolfenbüttels aufgehalten.«
»Das überrascht
nicht«, kommentierte Frauke. »Geht es genauer?«
»Ich vermute nicht«,
gestand Madsack. »Sonst hätte man es uns gesagt.«
»Dort ist die
Klinik. Und in der liegt Don Mateo, angeblich nicht ansprechbar. Das wird ein
spannender Tag morgen.«
Den Rest des Tages
verbrachte das Team mit den Vorbereitungen.
NEUN
Frauke
hatte die üblichen Sicherungsmaßnahmen ergriffen, um sich in ihrer Wohnung vor
unliebsamen Überraschungen zu schützen. Sie war erstaunt, dass man keine
Versuche mehr unternahm, sie einzuschüchtern oder gar ein Attentat auf sie
auszuüben.
Georg fiel ihr ein.
Er hatte ihr alles zu erklären versucht. Seine Begründungen waren plausibel,
und sie würde es prüfen. Doch bisher hatte sie keine Zeit dazu gefunden. Es war
merkwürdig, dass sie seit ihrem Treffen mit Georg und der – zugegeben – wunderbaren
Nacht keinen Übergriffen mehr ausgesetzt gewesen war. Konnte sie ihm wirklich
vertrauen? Wenn er doch etwas mit der Organisation zu tun hatte, dann hätte er
in dieser einen Nacht Gelegenheit gehabt, sie zu töten. Andererseits machten
sich die Bosse die Finger nie selbst schmutzig. Davor scheuten sie zurück. Auch
wenn Georg Arzt und mit dem Tod vertraut war … Jemanden mit Vorsatz zu töten
war etwas anderes.
Es war eine kurze
und unruhige Nacht. Frauke wunderte es nicht. Die Anspannungen waren zu groß,
die Erwartungen an den Folgetag, an das Finale zu hoch.
Sie fand sich zur
verabredeten Zeit im Landeskriminalamt ein und war nicht überrascht, dass die
Mitglieder ihres Teams schon anwesend waren. Auf der Fahrt gingen sie noch
einmal den Aktionsplan durch. Madsack meldete sich zu Wort und erklärte, er
habe mit dem Centermanagement gesprochen.
»Die wollten uns
ihre Sicherheitsleute zur Unterstützung bereitstellen«, sagte der
Hauptkommissar.
»Die sollen sich
heraushalten«, sagte Frauke. »Wir können keinen Aktionismus gebrauchen. Helden
sind hier fehl am Platz.
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