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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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Hochtal gewölbt, schon Stunden bevor die Sonne den Rand der Berge überstiegen hatte. Und so hatten sich einige Männer aufgemacht zur hochgelegenen Holzstelle, um die geschlagenenStämme ins Tal zu befördern. Dazu zogen sich Riesen am Hang entlang, in denen ein gefällter, entasteter Baum wie auf einer Rutsche abwärts sausen konnte. Wobei die Kunst beim Bau dieser teils in den Boden gegrabenen und verschalten, teils aus Stempen und Brettern gezimmerten Kanäle darin bestand, die Unregelmäßigkeiten des Bergs auszugleichen und das Gefälle nie so eben werden zu lassen, dass die Stämme liegen zu bleiben drohten, aber auch nie so steil, dass sie außer Kontrolle geraten würden.
    Ein Teil der Männer hatte die Bergflanke bestiegen, um oben die gelagerten Stämme mit Sapien und Seilen von ihren Stapeln an den Anfang der Transportbahn zu schleifen und sie auf ihren Weg zu schicken. Der andere Teil nahm das Holz unten, gute zweihundert Meter tiefer, in Empfang und wuchtete es auf Kutschen, mit denen es anschließend ins Dorf und zu den Höfen gefahren wurde.
    Das Tal hallte wider von den Geräuschen ihrer Arbeit, vom Rumpeln, wenn ein Baum von seinem Lager geholt wurde, von den Rufen der Männer oben, wenn sie wieder einen Stamm in die Bahn schickten, vom Schlagen und Schleifen der Fahrt des Holzes, vom wie ein hart gespannter Bogen trocken nachvibrierenden Aufprallen auf dem mächtigen Klotz am Ende der Riese.
    Diese Geräusche verstummten für eine Weile, als ihnen vom Dorf her das Mittagsläuten entgegentönte. Da stand noch immer die Sonne in einem unverhüllten Himmel, doch während die Männer ihre mitgebrachte Jause verzehrten, witterten einige unter ihnen in die eisige Luft und suchten mit ihren Blicken sorgenvoll die Ränder der umstehenden Berge ab. Und tatsächlich verstrichen nur zwei Stunden, da schob sich über den westlichen Kamm eine dicke Wolkenfront, die hinter den Höhen brodelnd hervorstieg wie aus dem Topf überkochende Milch. Binnen einer weiteren halben Stundehatte sie den halben Himmel bedeckt und auch die Sonne verschluckt, sodass der Schatten, den sie über den Berghang hatte fluten lassen, jetzt über dem ganzen Tal lag.
    Es war den Wolken anzusehen, dass sie schwer waren mit Schnee, und die Männer trieben sich zur Arbeit an, denn viele Stämme waren nicht mehr hinabzubefördern, und alle hofften, dass sie ihr Werk noch vollenden könnten, bevor das dräuende Gestöber losbrach. Mit Eifer und Hast zerrten die Oberen einen Baum nach dem anderen zum Rieseneinlass, dass ihnen trotz der Kälte und des Winterschattens der Schweiß auf den Gesichtern stand, und die Unteren schoben und rollten und zogen die angelangten Stämme so schnell sie konnten aus der Rinne, um das Signal den Hang hinaufzurufen, dass das nächste Holz auf den Weg geschickt werden konnte. In immer kürzeren Abständen rasten so die toten Bäume einer nach dem anderen den Berg hinab – doch bei aller Eile war das Unwetter schneller. Es lag oben noch ein halbes Dutzend Stämme bereit, da fielen die ersten Flocken aus dem Grau des Himmels. Aber noch war der Schnee nicht so dicht, dass er die Arbeit unmöglich gemacht hätte, und so beschleunigte man noch einmal das Tempo.
    Ein Stamm, zwei wurden in die Riese geschleppt und unten nach polternder Fahrt in Empfang genommen. Einmal, zweimal hörte man das Aufschlagen, das ›Hau-ruck‹ der Arbeiter, die den Kanal frei machten, und das Kommando nach oben, den nächsten Baum in die Rinne zu lassen. Einmal, zweimal wurde dieses Kommando befolgt, und ein schlitternder Donner fuhr den Hang hinab. Und noch einmal gab es unten Aufschlagen und Signal, die jetzt schon gedämpft ins Tal klangen durch den Licht und Schall schluckenden, immer stärkeren Schnee.
    Und dann war es still. Zwei Stämme hätten sich noch auf der Reise befinden müssen, doch nichts war von ihnen zuhören. Es hob ein verunsichertes, verärgertes Rufen an von beiden Gruppen, bis man sich so weit verständigt hatte, dass die Bäume oben in die Riese gegangen und unten nicht angekommen waren. Da das Schneetreiben jetzt schon so dicht war, dass man keine zehn Meter weit sehen konnte, verlangten einige, die Arbeit abzubrechen und an einem anderen Tag nachzuforschen, wo die vermissten Stämme abgeblieben waren. Aber das Ziel so dicht vor Augen – und in Sorge, möglicherweise zwei gute Stück Holz zu verlieren, falls diese später von selbst unkontrolliert ins Tal herabrasen würden –, forderten die anderen, der Sache

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