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Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal

Titel: Das finstere Tal - Willmann, T: Das finstere Tal Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Willmann
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beschlossen, das Klopfen einfach zu ignorieren. Doch nachdem auf die ersten drei Pocher eine Weile keinerlei Antwort gefolgt war, hob es erneut an – noch stärker und länger. Nun wusste das Krämerehepaar immerhin, dass es sich um kein bloßes Versehenoder den Scherz eines Betrunkenen zu handeln schien. Doch für ein ernstes Anliegen waren sie eigentlich noch weniger in Stimmung, und so hofften sie noch einmal, dass die Sache sich von selbst erledigen würde. Doch diese Hoffnung erwies sich bald als vergebens, und nun dröhnte das Klopfen ohne Unterlass so laut durch das Haus, dass dem Krämer nichts übrig blieb, als eine Hose überzuziehen, in seine Filzpantoffeln zu schlüpfen und mit der Petroleumlampe die Treppe hinabzustapfen: nicht nur um seiner Aussicht willen, an diesem Abend noch Nachtruhe – oder vielleicht auch etwas anderes – zu finden, sondern auch aus Sorge um das Glas seiner Ladentür, das diesem Hämmern und Rütteln nicht mehr lange standhalten würde.
    Seine Frau hörte, wie er unten ankam, vom Treppenabsatz her dem Einlass Begehrenden irgendetwas Beschwichtigendes zurief und zur Tür schlurfte. Dann sperrte er die Tür auf, und jemand trat aus der Kälte herein. Sie meinte, einen Ruf des Erstaunens zu vernehmen, aber war sich dessen ebenso wenig sicher wie der Worte, die danach murmelnd gewechselt wurden. Dann aber drang klar ihr Name zu ihr hinauf in die Schlafkammer, und die Aufforderung ihres Mannes, zu ihm herunter in den Laden zu kommen. Ihr gefiel der Ton nicht, den seine Stimme dabei hatte – und noch weniger gefiel er ihr, als er ihren Namen kurz darauf halb fragend, halb befehlend wiederholte. Aber gerade weil das beunruhigend Drängende darin noch stärker geworden war, blieb auch ihr wenig übrig, als sich hastig einen Morgenmantel überzuwerfen, in ihre Pantoffeln hinein- und die Treppe hinabzusteigen.
    Sie hätte nicht sagen können, dass sie irgendeine Ahnung gehabt hätte, wer hinter dem Klopfen stecken mochte – dass sie den einen überraschenden Besucher wahrscheinlicher gefunden hätte als den anderen. Aber dass es der Fremde sein würde, damit hatte sie so wenig gerechnet, dass ihre Augensich einen Moment lang wahrhaftig weigerten, überhaupt wahrzunehmen, wer da neben ihrem Mann im schummrigen Lampenschein stand. Der lange Mantel, wie sonst im Tal niemand einen besaß, hätte ihr schon im Umriss verraten müssen, um wen es sich handelte – ein Schatten, den der Dampf zerschmelzender Schneeflocken im Gegenlicht flirren ließ. Aber ihre ohnehin recht benebelten Sinne waren so sehr überrumpelt, dass sie für einen Sekundenbruchteil überhaupt keinen Menschen dort stehen sah. Sondern eine lang gewachsene, grinsende Kreatur mit um den Leib gefalteten, ledrigen Schwingen, von denen Rauch aufstieg. Etwas, das aus Pechtiefen gekommen war, um ihr Haus heimzusuchen. Erst dann kam ihr Hirn damit nach, dem bloßen Bild auch Gestalt, Sinn, Namen hinzuzuliefern, es zu
sehen
. Aber diese Wirklichkeit war einen Atemzug zu spät erkannt, um das andere, erste Bild ganz auszulöschen.
    Dass der Fremde in der Hand ein Gewehr hielt, das bemerkte die Frau dabei erst einige Sekunden später. Und dass dieses Gewehr auf sie gerichtet war, begriff sie noch einen Augenblick danach.
    Er winkte sie damit den Treppenabsatz herunter, und sie war noch zu verdutzt, um irgendetwas anderes zu tun, als zu gehorchen. Ihr Mann sah sie besorgt und entschuldigend an. Er hatte keine Möglichkeit gesehen, sie besser zu schützen, sagte sein Blick. Ihm war sonst nur die Alternative geblieben, sich über den Haufen schießen und sie ganz allein mit dem Fremden zu lassen. Dass er sich gegenüber der gedrohten Gewalt fügsam gezeigt hatte, hoffte der Krämer, würde ihm nun aber wenigstens das Recht geben, auch von dem anderen ein kleines Entgegenkommen einzufordern.
    »Was wollt Ihr von uns?« verlangte er zu wissen, und es war merklich nicht das erste Mal, dass er diese Frage gestellt hatte.
    Doch Greider würdigte dem nicht einmal die nachdrückliche Verweigerung einer Antwort – es war einfach, als wären die Worte Luft gewesen.
    Stattdessen trat er ein paar Schritte von dem Krämer fort und winkte die Frau zu sich.
    »Wir haben Geld«, sagte der Krämer, und es klang wie ein Vorschlag. Mit ängstlichem Blick auf seine Frau und den Fremden wollte er zu der Registrierkasse eilen, in der er die Mittel vermutete, den Eindringling von der Krämerin abzulenken.
    Doch Greider zeigte nur kurz mit dem Gewehrlauf auf

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