Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
Tarquinon hatte sie über alle Vorgänge unterrichtet. Heute waren sämtliche Komtureien der Neuen Ritterschaft besetzt worden. Jedes Gehöft und Lagerhaus, das dem Orden gehörte, war in den Besitz des Ordens vom Aschenbaum übergegangen. All dies war zur gleichen Stunde geschehen, so dass es der Ritterschaft unmöglich war, sich zu organisieren und zur Wehr zu setzen. In Aniscans hatte es einiges Blutvergießen gegeben. Die Besatzung des Ordenshauses hatte Widerstand geleistet, aber zwei ganze Regimenter waren eingesetzt worden, um den Willen der knapp vierzig Ritter zu brechen.
In den nahe gelegenen Ordenshäusern hatte es keine Gegenwehr gegeben. Ein Schreiben mit den Siegeln aller sieben Heptarchen war für jeden, der treu zur Kirche stand, über jeden Zweifel erhaben. Nur wegen Valloncour und der Festungshäfen
Rabenturm und Paulsburg machte Tarquinon sich einige Sorgen. Dort war die Neue Ritterschaft stark. Aber sein Ordensmarschall, Bruder Erilgar, war ein geschickter Taktiker. Er würde diese Aufgabe meistern.
Tarquinon lehnte sich in seinem bequemen Stuhl zurück. Die Garotte schnitt bereits tief in das Fleisch Bruder Miguels. Der Henker nahm dem Ritter gerade den Knebel aus dem Mund. Miguel versuchte etwas zu sagen, aber er brachte nur ein unartikuliertes Keuchen zu Stande.
Der Großmeister betrachtete Honoré. Der Primarch saß zusammengesunken auf seinem Platz. Fieberschübe ließen seinen ausgemergelten Körper erzittern. Man hatte ihm den Verband abgenommen. Sein Gesicht war grässlich entstellt. Der Wundbrand hatte ein Loch bis auf den Knochen in seine Wange gefressen. Es war höchste Zeit gewesen, ihn auf die Todesbühne zu bringen. Bei ihm bestand die Gefahr, dass er einfach im Kerker verreckte und sich so seiner öffentlichen Demütigung entzog.
Der Henker hatte darauf verzichtet, Honoré einen Knebel anzulegen. Der Primarch war ja ohnehin zum Schweigen verdammt. Die zwölf Schatztruhen, die er mitgebracht hatte, um sich das Wohlwollen der Heptarchen zu erkaufen, standen auf der Bühne aufgereiht. Tarquinon hatte aus jeder von ihnen einen Teil Gold genommen, um den verräterischen Schreiber auszubezahlen.
Der Gedanke an diesen kleinen Schurken vergällte Tarquinon die Freude an seinem Triumph. Er hatte ihn ziehen lassen müssen. Aber in dieser Angelegenheit war das letzte Wort noch nicht gesprochen.
Honoré kämpfte gegen seine Lethargie an. Der Tod seines Ordensmarschalls war jetzt nahe. Als Nächster würde er erdrosselt werden.
Der Primarch setzte sich auf. Der Fieberglanz war aus seinen
Augen gewichen. Grenzenloser Zorn spiegelte sich in seinem Blick.
»Seht nur!«, stammelte der Sekretär mit dem Vogelkopf.
Tarquinon traute seinen Augen nicht. Was da vor sich ging, war nichts weniger als ein Wunder. Auf der Tribüne der Kirchenoberen brach ein Tumult los.
MENSCHEN UND IHRE HÄFEN
Als das leichte Zittern aufhörte und sich die Schritte und Stimmen entfernten, wagte Fingayn es, den Deckel seines Verstecks ein Stück weit zu öffnen. Schräg gegenüber, auf der anderen Seite der Turmhalle, sah er, wie Männer mit Brecheisen Kisten öffneten. Warum sie sein Versteck nicht näher untersucht hatten, blieb ihm schleierhaft.
Vorsichtig schob er den Deckel zur Seite und schlüpfte aus der Knochenkiste. Dann verschloss er sie und kletterte erneut hinauf zum Fenster. Er bewegte sich lautlos wie ein Schatten.
In der ersten Fensternische verharrte er. Die Krieger hatten lange nach ihm gesucht. Ein paar waren im Tempelturm zurückgeblieben. Die Mehrheit jedoch sah er im strömenden Regen abmarschieren. Er überlegte, ob er es wagen sollte, auch sein zweites Ziel anzugreifen. Aber es war vermutlich klüger, das Schicksal nicht zu sehr herauszufordern. Er brauchte einen Fluchtweg von der Insel. Bis die Schiffe unter dem Aschenbaumbanner eingetroffen waren, hatte sich tagelang
nichts im Hafen bewegt. Er wusste nicht, was hier vorging, aber es würde schwierig werden, die Insel zu verlassen. Die Ritterin konnte er auch ein anderes Mal jagen. Nun war es klüger, sich einen ruhigeren Ort zu suchen.
Vorsichtig stieg er das Gerüst hinab. Der strömende Regen war ihm ein willkommener Verbündeter. Er schlug seine Kapuze hoch und tauchte in die nasse Finsternis. Kein Tropfen durchdrang den dicht gewebten Stoff seines Umhangs.
Fingayn mied alle belebten Straßen. Auf Umwegen schlich er zum Hafen. Es war, als habe er in ein Wespennest gestochen. Überall waren Soldaten unterwegs. Sie überprüften
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