Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
überrascht, dass die beiden so offen sprachen. Sie vermutete, dass Bruder Ignazius noch immer der Kopf des Ordens war, auch wenn Erilgar das Amt des Ordensmarschalls ausübte. »Ich bin mit euch einer Meinung, doch wenn ich Bruder Louis’ Befehlen Folge leisten soll, sehe ich keinen anderen Weg als den Streit. Ich kann nicht einfach die Waffen strecken und Hunderte meiner Ritterbrüder eurer Gnade überantworten. Was die Ordensregimenter angeht, mache ich mir keine Illusionen. Die einfachen Pikeniere und Arkebusiere werden sich größtenteils nicht widersetzen, künftig unter eurem Banner zu fechten.«
Ignazius drehte die Spitze seines Bartes nachdenklich zwischen Daumen und Zeigefinger. »Vergiss einfach Bruder Louis. Ihn hatten wir geschickt, weil der Orden seinen Verlust leicht hätte verkraften können. Wir haben niemals angenommen, dass du einen unserer Ritter als Komtur anerkennen würdest. Bei dem Temperament von Bruder Alvarez hatten wir viel mehr befürchtet, dass wir den Kopf unseres Boten als Antwort zurückerhalten würden. Unsere Hoffnung war, dass ein Gespräch wie dieses zu Stande kommen könnte.«
Lilianne sah die beiden an. »Und? Ich bin hier, aber offen gestanden weiß ich keine Lösung. Meine Ritter werden sich nicht einfach eurem Orden unterstellen. Wie können wir einen Kampf vermeiden, wenn ihr den Befehlen der Heptarchen folgt?«
»Das, Lilianne, liegt allein in deiner Hand. Du bist der Schlüssel. Tritt zu unserem Orden über!«
Die Worte trafen sie wie ein Schlag ins Gesicht. Eine solche Frechheit hatte sie von Bruder Ignazius nicht erwartet. Im Gegenteil, auch wenn sie ihm zuvor nie persönlich begegnet
war, hatte sie ihn bislang als einen der fähigsten Militärtheoretiker ihrer Zeit verehrt. Sie kannte alle seine Schriften. Und seine Bücher waren die Grundlage ihres Unterrichts in Valloncour gewesen.
»Ein solcher Verrat an meinem Orden steht für mich nicht zur Debatte. Wenn das alles ist, was ihr vorzuschlagen habt, können wir das Gespräch nun beenden.«
Der alte Ritter schüttelte ärgerlich den Kopf. »Nur der Höflichkeit halber, Schwester, lass mich meinen Faden zu Ende spinnen und versuch den Stolz, der deinen Blick verschleiert, für einen Augenblick zu vergessen. Wenn du zu unserem Orden übertrittst, dann hat Bruder Erilgar die Machtbefugnis, dich noch in dieser Stunde zur Komturin zu ernennen. Der Komturin der neuen Ordensprovinz Rabenturm. Damit führst du das Oberkommando über eure Truppen. Du müsstest sie davon überzeugen, fortan unter dem Aschenbanner zu reiten, aber wir werden jedem Ritterbruder das Recht auf sein persönliches Wappen belassen. Und wenn er in diesem Wappen das heraldische Symbol des Blutbaumes führt, werden wir darum kein Aufhebens machen. Das ist alles, was wir zu einer vernünftigen Einigung beitragen können. Bitte denk mit kühlem Kopf über dieses Angebot nach. In Aniscans sind Dinge geschehen, auf die wir keinen Einfluss mehr haben. Die Neue Ritterschaft wurde durch die Heptarchen mit dem Kirchenbann belegt. Dein Orden ist aufgelöst, Lilianne. Nun liegt es an dir, zu retten, was noch zu retten ist, und zumindest hier in der Provinz Drusna einen Bruderkrieg zu vermeiden. Ich weiß, welches Gewicht dein Wort und deine Taten in der Neuen Ritterschaft haben, Schwester. Darum bitte ich dich: Handle besonnen.«
DAS FEHLENDE GLIED
Honoré wusste nicht, ob es Tag oder Nacht war. Ihn umgab Finsternis. Er wusste, wo er war. Diesmal war er bei vollem Bewusstsein gewesen, als sie ihn hierhergeschleppt hatten. Ein kalter Eisenring umschloss seine Hüften. Er war an die Wand gekettet, in eben jener Nische, in der er zwischen Leben und Tod dahinvegetiert hatte. Der Nische, die dafür vorgesehen war, einen Sarg aufzunehmen. Einen Leichnam.
Doch jetzt war er allein in dem Kerkergewölbe. Es gab keinen Fragenden und keinen Schreiber. Seltsamerweise fehlten ihm die beiden mehr als Miguel. Sie hatten seine Fieberträume und seine Ängste beherrscht. Sie hatten ihm Schmerz bereitet und Erleichterung geschenkt.
Honoré hatte das Gefühl, dass seine Sinne unnatürlich geschärft waren. Er konnte die Tinte des Schreibers riechen. Wahrscheinlich hatte er das kleine Tintenfass im Stehpult hinten in der Ecke nicht verschlossen. Er war ein etwas schlampiger Kerl gewesen … Der Primarch war sich fast sicher, sich an die Tintenflecken auf seiner Kutte zu erinnern. An die Zeit, nachdem er auf dem Platz des heiligen Zorns niedergeschossen worden war, erinnerte
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