Das Fjordland: Elfenritter 3 - Roman
sagen.«
Er nickte dem Hauptmann zu.
»Wird sie mir vergeben?«
Was sollte er darauf antworten? Sigurd starrte ihn an. Seine Augen waren zum Himmel gerichtet. Schneeflocken nisteten in seinem Bart. Er war tot.
Traurig blickte Luc zu Gishild. So viel hatte sie verloren. Er entschied, ihr Sigurds Geschichte nicht zu erzählen. Sie sollte ihn so in Erinnerung behalten, wie sie ihn ihr ganzes Leben lang gekannt hatte. Die Wahrheit würde nur noch mehr zerstören.
Er scharrte mit den Händen etwas Schnee zusammen und presste ihn auf Gishilds Schläfe. Dann setzte er sich neben den toten Hauptmann und nahm Tindra in den Arm. Er war zu müde, um auch nur einen Schritt zu tun. Und er war sich sicher, dass man bald nach Gishild suchen würde.
DER WEG ZURÜCK ZUR MACHT
Eine derbe Hand rüttelte Honoré aus dem Schlaf. Von einem Augenblick auf den anderen war er hellwach. An seinem Bett stand ein Ritter, den er noch nie zuvor gesehen hatte. Weitere Krieger drängten sich in der Tür zu seinem Gefängnis. Nun war Gilles seines grausamen Spiels also doch noch müde geworden.
»Zieh dich an«, sagte der Mann, der ihn geweckt hatte. »Und beeil dich!«
Ob der Kerl wohl wusste, wer da vor ihm im Bett saß? Wer er einmal gewesen war? Honoré verzichtete darauf, etwas zu sagen. Und er fügte sich. Das hatte er in all den Monden gelernt. Es war besser, sich zu fügen! Man litt weniger Schmerzen.
Hastig zog der Primarch sich an. Sie ließen ihm nicht einmal die Zeit, sein Wams zuzuknöpfen. Der Anführer der Ritter drängte ihn zur Tür, warf ihm einen Umhang über die Schultern und drückte ihm einen Hut auf den Kopf. »Los, Krüppel, beeil dich. Du wirst dringend erwartet.«
Sie brachten ihn zur Treppe. Die Ritter achteten sorgsam darauf, ihn in ihrer Mitte zu halten. Er war zu stolz, sie zu fragen, wohin sie ihn brachten. Ein Trupp Rüpel, der ihn mitten in der Nacht aus dem Bett holte, verhieß nichts Gutes. Immerhin hatten sie ihm keine Fesseln angelegt.
Sie brachten ihn zu einer Seitenpforte von Gilles’ Stadtpalast. Dort erwarteten sie gesattelte Pferde und noch mehr Ritter. Sie trugen nicht das Wappen des Aschenbaums, wenigstens das nicht. Vermutlich waren es verarmte Adelige, die ihre Dienste an Kirchenfürsten verkauften. Die Männer waren diszipliniert. Keiner sprach ein Wort. Nichts verriet, aus welcher
Provinz sie stammen mochten. Honoré schätzte, dass sie eher aus dem Norden als aus dem Süden kamen. Zwei hatten blonde Bärte, die anderen waren sorgfältig rasiert. Ihre Haare waren unter Helmen verborgen. Sie trugen geschwärzte Halbharnische. Schwere, wollene Umhänge hingen regennass von ihren Schultern.
Eines der Pferde tänzelte unruhig.
Der Mann, der ihn geweckt hatte, half ihm in den Sattel. »Versuch nicht zu fliehen. Du hast das langsamste Pferd von uns, und wir haben Befehl, dir bei deinem ersten Fluchtversuch die Beine zu brechen.«
Honoré sah den Ritter verärgert an. »Weißt du eigentlich, wer ich bin?«
»Der Mann, dem ich die Beine brechen werde, wenn er Ärger macht. Mehr will ich gar nicht wissen!«
Honoré sagte nichts mehr. Er hatte keinen Zweifel daran, dass der Ritter seinen Befehlen nachkommen würde. Vor seiner Verwundung durch Michelle hatte er zu lange im Feld gekämpft, als dass er sich noch Illusionen über die Adeligen machte, die ihr Schwert in den Dienst der Kirche stellten, um ihren Status halten zu können. Für eine Börse voll Gold taten sie alles. Und ganz gleich, wohin sie ihn bringen würden, er wollte seinem Schicksal zumindest auf eigenen Beinen entgegentreten.
Ihr Trupp umfasste knapp zwanzig Reiter. Auf ihrem Ritt durch die innere Stadt begegneten sie keiner Menschenseele. In vielleicht einem von hundert Fenstern der Stadtpaläste, Ordenshäuser und Refugien brannte Licht. Die Kirchenstadt schlief. Oder aber man hatte ihr befohlen, die Augen zu schließen und sich ruhig zu verhalten.
Schließlich erreichten sie den Platz des Massakers an seinen Rittern und dann das hohe Tor, durch das er vor so vielen Wochen seinem Schicksal entgegengeritten war.
Als die Mauern der Inneren Stadt hinter ihm lagen, fühlte Honoré sich von einer bergschweren Last befreit. Nüchtern betrachtet, gab es, umringt von einer Schar besserer Halsabschneider, dafür keinen Grund. Und doch hatte er das Gefühl, dass sich sein Schicksal nun endlich wieder zum Guten wenden mochte.
Im bürgerlichen Teil von Aniscans war es kaum belebter als in der Kirchenstadt. Die wenigen Passanten, die
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