Das Flammende Kreuz
und dumm dazu. Wenn Ihr ihn aber aufspüren wollt, könnt Ihr ihn gern behalten.«
Also sah es nicht so aus, als würde es großes Geschrei um Keziah geben. Ich holte tief Luft, um erleichtert aufzuseufzen, atmete aber schnell wieder aus.
Jamie gab nicht so leicht auf.
»Ist Mr. Beardsley im Haus?«, fragte er. »Ich möchte ihn gern sehen.« Er ruckte versuchsweise an dem Rahmen, und das trockene Holz knackte mit einem Geräusch, das wie ein Pistolenschuss klang.
»Er ist nicht in der Lage, Besuch zu empfangen«, sagte sie, und ihre Stimme nahm erneut jenen seltsamen Unterton an; argwöhnisch, doch zugleich von einer Art Erregung erfüllt.
»Ist er krank?«, fragte ich und beugte mich über Jamies Schulter. »Vielleicht kann ich ihm helfen; ich bin Ärztin.«
Sie schlurfte ein paar Schritte vorwärts und blinzelte mich an. Unter der Masse ihrer braunen Locken war ihre Stirn gerunzelt. Sie war jünger, als ich gedacht hatte; bei besserem Licht betrachtet, zeigte ihr massiges Gesicht kein Netz aus Falten, und ihre Haut war straff.
»Ärztin?«
»Meine Frau ist als Heilerin weithin bekannt«, sagte Jamie. »Die Indianer nennen sie Weißer Rabe.«
»Die Kräuterfrau?« Sie riss alarmiert die Augen auf und trat einen Schritt zurück.
Irgendetwas an der Frau kam mir seltsam vor, und als ich sie jetzt ansah, begriff ich, was es war. Trotz des Geruchs im Inneren des Hauses waren Körper und Kleider der Frau sauber, und ihr Haar war weich und locker - ganz und gar nicht üblich zu einer Jahreszeit, in der die Leute im Allgemeinen des kalten Wetters wegen monatelang gar nicht badeten.
»Wer seid Ihr?«, fragte ich unverblümt. »Seid Ihr Mrs. Beardsley? Oder vielleicht Miss Beardsley?«
Nicht älter als fünfundzwanzig, dachte ich, trotz ihrer massigen Figur. Ihre fetten Schultern wogten unter ihrem Schultertuch, und ihre breiten Hüften streiften die Fässer, zwischen denen sie stand. Der Handel mit den Cherokee brachte offenbar genug ein, um Beardsleys Familie angemessen zu ernähren, wenn auch nicht seine Leibeigenen. Ich betrachtete sie voller Abneigung, aber sie erwiderte meinen Blick ganz kühl.
»Ich bin Mrs. Beardffley.«
Ihr Erschrecken war vorüber; sie schürzte die Lippen und bewegte sie vor und zurück, während sie mich abschätzend betrachtete. Jamie spannte den Arm an, und der Fensterrahmen krachte laut.
»Dann kommt herein.«
Der seltsame Ton lag immer noch in ihrer Stimme; halb Trotz, halb Eifer. Jamie hörte ihn und runzelte die Stirn, doch er ließ den Fensterrahmen los.
Sie kam zwischen den Kisten hervor und wandte sich zur Tür. Ich konnte sie nur ganz kurz in Bewegung sehen, doch das reichte, um festzustellen, dass sie humpelte; sie zog ein Bein nach, und ihr Schuh schabte über den Holzfußboden.
Wir hörten es rumpeln und grunzen, während sie mit dem Riegel kämpfte; ein schabendes Geräusch und dann ein Plumps, als sie ihn zu Boden fallen ließ. Die Tür war verzogen und klemmte in ihrem Rahmen; Jamie lehnte sich mit der Schulter dagegen, und sie sprang auf und schwang zitternd nach innen. Wie lange war sie wohl nicht mehr geöffnet worden, fragte ich mich.
Ziemlich lange offensichtlich. Ich hörte Jamie husten und prusten, als er eintrat, und bemühte mich nach Kräften, durch den Mund zu atmen, als ich ihm folgte. Dennoch hätte der Geruch sogar ein Frettchen umgehauen. Abgesehen von den Ausdünstungen der Waren kam von irgendwo Abortgeruch; abgestandener Urin und heftiger Fäkaliengestank. Dazu verdorbene Lebensmittel, aber auch noch irgendetwas anderes. Meine Nasenlöcher zuckten vorsichtig, während ich versuchte, nicht mehr als ein paar Luftmoleküle auf einmal einzuatmen, um sie zu analysieren.
»Wie lange ist Mr. Beardsley schon krank?«, fragte ich.
Ich hatte unter dem allgemeinen Mief einen deutlichen Krankheitsgestank ausgemacht. Nicht nur den Nachhall von längst getrocknetem Erbrochenem, sondern den süßen Geruch eitriger Absonderungen und jenen undefinierbaren, säuerlichen, an Hefe erinnernden Geruch, der schlicht der Geruch jeglicher Krankheit zu sein scheint.
»Oh... ffon länger.«
Sie schloss hinter uns die Tür, und ich verspürte einen plötzlichen Anflug von Klaustrophobie. Im Haus schien die Luft zum Schneiden zu sein, sowohl aufgrund des Gestankes als auch durch den Lichtmangel. Ich verspürte den heftigen Impuls, die Verblendungen beider Fenster herunterzureißen und ein wenig Luft herein zu lassen, und ich musste die Hände im Stoff meines Umhangs
Weitere Kostenlose Bücher