Das Flammende Kreuz
Zaum zu halten.
Doch natürlich genossen die wenigsten Leute den Vorteil, die Welt mit dem voreingenommenen Auge eines Arztes zu sehen. Und es stimmte, dass Frauen weniger für die rauen Freizeitvergnügungen übrig hatten, die den Männern solche Freude machten - ich traf selten auf Frauen, die sich zum Spaß zu Brei schlugen. Wenn sie allerdings ein gutes Motiv hatten, dann...
Jamie ging jetzt auf die Scheune zu und rief in Abständen, ohne dass es eine Wirkung gezeigt hätte. Ich sah mich um, doch es gab keine frischen Spuren auf dem Hof außer den unseren. Ein paar Kotkügelchen lagen neben dem halb behauenen Holzstück verstreut, aber sie waren eindeutig schon mehrere Tage alt; sie waren taufeucht, aber nicht frisch - die meisten waren zu Pulver zerfallen.
Niemand war gekommen, niemand war gegangen, es sei denn zu Fuß. Die Beardsleys, wer und wie viele sie auch immer waren, hielten sich wahrscheinlich immer noch im Haus auf.
Aber sie hielten sich bedeckt. Es war zwar noch früh, aber nicht so früh, dass die Farmbewohner nicht schon ihrem Tagewerk nachgehen würden; schließlich hatte ich vorhin jemanden gesehen. Ich trat zurück, hielt mir zum Schutz gegen die aufgehende Sonne eine Hand über die Augen und hielt nach Lebenszeichen Ausschau. Ich war mehr als neugierig auf diese Beardsleys - und angesichts der jüngsten Ereignisse auch mehr als nur leicht nervös bei der Vorstellung, dass einer oder mehrere männliche Beardsleys mit uns reiten würden.
Ich wandte mich wieder der Tür zu und bemerkte eine seltsame Reihe von Einkerbungen im Türpfosten. Die einzelnen Kerben waren klein, aber es waren sehr viele, und über den einen Pfosten zogen sie sich ganz hin, über den anderen halb. Ich sah genauer hin; sie waren in Gruppen von sieben angeordnet, und zwischen den einzelnen Gruppen befand sich jeweils ein winziger Zwischenraum, so wie vielleicht ein Gefangener zählt, um den Überblick über die Wochen zu behalten.
Jamie kam aus der Scheune, gefolgt von einem leisen Blöken. Natürlich, die Ziegen, von denen er gesprochen hatte. Ich fragte mich, ob es Keziahs Aufgabe gewesen war, sie zu melken - wenn ja, dann würde seine Abwesenheit in Kürze auffallen, wenn sie nicht schon aufgefallen war.
Jamie ging ein paar Schritte auf das Haus zu, legte die Hände um seinen Mund und rief erneut. Keine Antwort. Er wartete einige Augenblicke, dann zuckte er mit den Achseln und trat auf die Veranda, wo er mit dem Griff seines
Dolches an die Tür hämmerte. Es war laut genug, um Tote zu erwecken, wären denn welche in der Nähe gewesen, und die Hühner flitzten panisch davon, wobei sie einige Federn ließen, doch niemand antwortete auf Jamies donnernden Aufruf.
Jamie sah sich zu mir um und zog eine Augenbraue hoch. Kein normaler Mensch machte sich davon und ließ seine Farm unbeaufsichtigt zurück, nicht, wenn er Vieh hatte.
»Es ist jemand hier«, beantwortete er meinen unausgesprochenen Gedanken. »Die Ziegen sind frisch gemolken; sie haben noch Tropfen an den Zitzen.«
»Meinst du, sie sind womöglich alle unterwegs und suchen nach... äh... du weißt schon, wem?«, murmelte ich und trat dichter an ihn heran.
»Vielleicht.« Er trat zur Seite und bückte sich, um einen Blick in ein Fenster zu werfen. Es war einmal verglast gewesen, doch die meisten Scheiben hatten Sprünge oder fehlten, und man hatte ein zerschlissenes Stück Musselin vor die Öffnung genagelt. Ich sah, wie Jamie die Stirn runzelte - die Verachtung des Handwerkers angesichts einer lausigen Reparatur.
Er wandte plötzlich den Kopf, dann sah er mich an.
»Hörst du etwas, Sassenach?«
»Ja. Ich dachte, es wären die Ziegen, aber...«
Das Blöken erklang erneut - diesmal eindeutig aus dem Haus. Jamie hob die Hand an die Tür, aber sie gab nicht nach.
»Verriegelt«, sagte er und trat wieder an das Fenster, griff vorsichtig in den Rahmen und löste eine Ecke des Musselintuches.
»Uh«, sagte ich und rümpfte die Nase angesichts der Luft, die aus dem Fenster kam. Ich war an die Gerüche für den Winter abgedichteter Blockhäuser gewöhnt, wo sich die Düfte von Schweiß, schmutzigen Kleidern, nassen Füßen, fettigen Haaren und Nachttöpfen mit denen backenden Brotes, kochenden Fleisches und der subtileren Note der Schimmelpilze vermischte, aber das Aroma im Haus der Beardsleys untertraf das Übliche bei weitem.
»Entweder halten sie ihre Schweine im Haus«, sagte ich mit einem Blick auf die Scheune, »oder es wohnen zehn Leute da drinnen,
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