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Das Flammende Kreuz

Titel: Das Flammende Kreuz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Diana Gabaldon
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ihm sehen konnten, niemanden sonst auf der Farm, der für seine Sicherheit sorgen konnte. Ich nahm an, dass wir es vielleicht schaffen würden, ihn nach Brownsville zu transportieren; vielleicht gab es ja einen Wagen in der Scheune. Aber selbst wenn - was dann?
    Es gab kein Hospital, in dem man sich um ihn kümmern würde. Wenn eins der Häuser in Brownsville ihn aus Mildtätigkeit aufnahm - schön und gut, aber angesichts von Beardsleys Zustand einen Monat nach dem Anfall
hielt ich es für unwahrscheinlich, dass sich seine Lähmung oder sein Sprachvermögen großartig verbessern würden. Wer würde ihn aufnehmen, wenn das bedeutete, sich für den Rest seines Lebens Tag und Nacht um ihn zu kümmern.
    Der Rest seines Lebens konnte natürlich sehr kurz ausfallen, je nachdem, wie erfolgreich ich mit dem Gangrän zurecht kam. Meine Sorge trat in den Hintergrund, als sich mein Verstand dem unmittelbaren Problem zuwandte. Ich würde eine Amputation vornehmen müssen; es war die einzige Möglichkeit. So lange es nur um die Zehen ging, war das einfach - aber möglicherweise reichten die Zehen nicht. Wenn ich den Fuß ganz oder teilweise abnehmen musste, stieg das Risiko durch Schock oder Infektion.
    Konnte er es spüren? Manchmal behielten Schlaganfallpatienten das Gefühl in einer betroffenen Gliedmaße zurück, nicht aber die Bewegungsfähigkeit, manchmal die Bewegungsfähigkeit, aber kein Gefühl - manchmal keines von beidem. Vorsichtig berührte ich die gangränösen Zehen und behielt dabei sein Gesicht im Auge.
    Sein gesundes Auge stand offen und hielt die Balken über ihm fixiert. Er sah mich nicht an und machte kein Geräusch - womit diese Frage beantwortet war. Nein, er konnte den Fuß nicht spüren. Das war in einer Hinsicht eine Erleichterung - wenigstens würde er bei der Amputation keine Schmerzen haben. Außerdem wurde mir klar, dass er auch die Verletzungen nicht gespürt hatte, die seinem Fuß beigebracht worden waren. War ihr das bewusst gewesen? Oder hatte sie seine abgestorbene Seite für ihre Attacken gewählt, weil ihm in der anderen noch etwas Kraft geblieben war und er sich möglicherweise noch hätte verteidigen können?
    Ein leises Rascheln ertönte hinter mir. Mrs. Beardsley war zurück. Sie stellte einen Eimer Wasser auf den Boden und legte einen Haufen Lappen dazu, dann stellte sie sich hinter mich und sah schweigend zu, wie ich begann, ihn von der Schmutzschicht zu befreien.
    »Könnt Ihr ihn heilen?«, fragte sie. Ihr Tonfall war ruhig, abwesend, so als spräche sie von einem Fremden.
    Der Kopf des Patienten kugelte plötzlich herum, so dass sich sein geöffnetes Auge auf mich heftete.
    »Ich glaube, ich kann es ihm etwas leichter machen«, sagte ich vorsichtig. Ich wünschte, Jamie käme zurück. Abgesehen davon, dass ich meine Arzneitruhe brauchte, machte mich die Gesellschaft der Beardsleys ziemlich nervös.
    Das wurde noch schlimmer, als Mr. Beardsley unkontrolliert eine kleine Menge Urin absonderte. Mrs. Beardsley lachte, und er antwortete mit einem Geräusch, bei dem sich meine Arme mit Gänsehaut überzogen. Ich wischte ihm die Flüssigkeit vom Oberschenkel, fuhr mit meiner Arbeit fort und gab mir alle Mühe, den Zwischenfall zu ignorieren.
    »Habt Ihr oder Mr. Beardsley Verwandte in der Nähe?«, fragte ich so beiläufig wie möglich. »Jemanden, der Euch vielleicht zur Hand gehen könnte?«
»Niemanden«, sagte sie. »Er hat mich aus meinem Elternhaus in Maryland weggeholt. Und nach hier gebracht.« Sie sprach das »hier« aus, als handelte es sich um den fünften Kreis der Hölle, und so weit ich das beurteilen konnte, bestanden da tatsächlich gewisse Ähnlichkeiten.
    Unten öffnete sich die Tür, und ein willkommener, kalter Luftzug verkündete Jamies Rückkehr. Es polterte, als er meine Kiste auf den Tisch stellte, und ich erhob mich hastig, begierig, ihnen zu entfliehen, und wenn es nur für einige Minuten war.
    »Da ist mein Mann mit meinen Arzneien. Ich... äh... gehe eben hinunter und hole sie...« Ich schob mich an Mrs. Beardsleys massiger Gestalt vorbei und floh die Leiter hinunter. Trotz der Kühle des Hauses schwitzte ich.
    Jamie stand am Tisch und runzelte die Stirn, während er ein Stück Seil in der Hand hin und her drehte. Er blickte auf, als er mich hörte, und sein Gesicht entspannte sich ein wenig.
    »Wie sieht es aus, Sassenach?«, fragte er leise und wies mit einem Ruck seines Kinns zum Dachboden.
    »Ziemlich schlimm«, flüsterte ich und trat an seine Seite. »Er

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