Das Flammende Kreuz
ja«, sagte ich. »Wozu?«
»Nun, es geht um Duncan.« Seine Miene war belustigt und besorgt zugleich. »Es gibt da ein kleines Problem, und er kann sich nicht dazu durchringen, mit ihr darüber zu sprechen.«
»Sag’s mir nicht«, sagte ich. »Er war schon einmal verheiratet, und er dachte, seine erste Frau sei tot, aber er hat sie gerade hier am Buffet gesehen.«
»Nein«, sagte er lächelnd. »Ganz so schlimm ist es doch nicht. Und vielleicht ist es ja auch gar kein so großer Grund zur Sorge, wie Duncan befürchtet. Aber es macht ihn nun einmal nervös, und doch kann er sich nicht überwinden, mit meiner Tante zu sprechen; er hat ein wenig Scheu vor ihr, aye?«
Duncan war überhaupt ein schüchterner und bescheidener Mann; ein ehemaliger Fischer, der während des Aufstandes in den Armeedienst gepresst worden war. Nach der Schlacht von Culloden hatte man ihn festgenommen, und er hatte jahrelang im Gefängnis gesessen. Man hatte ihn nur deshalb frei gelassen und nicht deportiert, weil er sich durch einen Kratzer eine Blutvergiftung geholt und einen Arm verloren hatte, was ihn für harte Arbeit ungeeignet machte, so dass er als Leibeigener unverkäuflich wurde. Ich brauchte mich gar nicht zu fragen, wessen Idee diese Heirat gewesen war; es wäre Duncan im Leben nicht eingefallen, derart nach den Sternen zu greifen.
»Das kann ich verstehen. Aber worüber sorgt er sich denn?«
»Nun«, sagte er langsam, »es stimmt, dass Duncan noch nie verheiratet war. Hast du dich nie gefragt, warum?«
»Nein«, sagte ich. »Ich hatte einfach angenommen, dass der Aufstand... o je.« Ich hielt inne, denn mir kam eine Idee, worum es hier ging. »Es ist doch nicht - du liebe Güte. Du meinst... er liebt Männer?« Ich erhob unwillkürlich die Stimme.
»Nein!«, sagte er entrüstet. »Himmel, du glaubst doch nicht, dass ich zulassen würde, dass er meine Tante heiratet, wenn er ein Sodomit wäre? Himmel.« Er sah sich um, um sich zu versichern, dass niemand diese Verleumdung gehört hatte, und schob mich vorsichtshalber in den Schutz der Bäume.
»Nun, es könnte doch sein, dass du es nicht gewusst hast, oder?«, fragte ich belustigt.
»Ich wüsste es«, sagte er grimmig. »Komm mit.« Er hob einen tief hängenden Zweig an und schob mich darunter durch, eine Hand in meinem Kreuz. Der Hain war groß und machte es uns relativ leicht, uns den Blicken der Hochzeitsgesellschaft zu entziehen.
»Nein«, sagte er erneut, als wir eine kleine, freie Stelle weit im Inneren der Baumgruppe erreichten. »Was für schmutzige Gedanken du doch hast, Sassenach! Nein, es ist nichts dergleichen.« Er blickte hinter sich, doch wir waren ein gutes Stück vom Rasen entfernt und einigermaßen verdeckt. »Es ist nur so, dass er... unfähig ist.« Er zog eine Schulter ein wenig hoch und machte ein durch und durch beklommenes Gesicht bei dieser Vorstellung.
»Was - impotent?« Ich spürte, wie mein Mund offen stand, und ich schloss ihn.
»Aye. Er ist als junger Mann einmal verlobt gewesen, aber dann gab es einen schrecklichen Unfall; ein Karrengaul hat ihn auf der Straße zu Boden geworfen und ihn in den Schritt getreten.« Er machte eine kleine Bewegung, so als wolle er sich zu seiner eigenen Beruhigung berühren, riss sich aber zusammen. »Er ist wieder gesund geworden, aber es - nun, er war nicht länger zum Vollzug der Ehe imstande, also hat er die junge Frau gehen lassen, und sie hat einen anderen geheiratet.«
»Der arme Kerl!«, sagte ich mit einem Stich des Mitgefühls. »Lieber Himmel, Duncan hat aber auch nichts als Pech.«
»Nun, immerhin lebt er noch«, merkte Jamie an. »Viele andere nicht. Außerdem -« Er umfasste River Run, das sich hinter ihm ausbreitete, mit einer Geste. »Außerdem würde ich seine jetzige Situation nicht gerade unglücklich nennen. Von der einen, kleinen Schwierigkeit natürlich abgesehen.«
Ich runzelte die Stirn und ging im Geist die medizinischen Möglichkeiten durch. Wenn der Unfall zu ernsthaften Gefäßschäden geführt hatte, konnte ich nicht viel tun; auf komplexe Rekonstruktionschirurgie war ich nicht eingerichtet. Wenn es aber nur eine Hämatozele war, konnte ich vielleicht...
»Als junger Mann, sagst du? Hm. Nun, das ist nicht sehr viel versprechend, aber ich kann es mir gern ansehen, um zu beurteilen, ob -«
Jamie starrte mich ungläubig an.
»Ansehen? Sassenach, der Mann läuft dunkelrot an, wenn man fragt, wie
es um seinen Darm bestellt ist, und er ist beinahe vor Scham gestorben, als er es
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