Das Flammende Kreuz
hochwillkommenen Blick der Dankbarkeit von Brianna zu ernten.
Er trat aus dem Weg, und während er allmählich wieder zu Atem kam, staunte er. In der Sekunde, in der Claire das Zimmer betrat, änderte sich die beinahe panische, von Sorge erfüllte Atmosphäre augenblicklich. Die Frauen strahlten zwar immer noch besorgte Anteilnahme aus, doch sie wichen ohne Zögern zurück, traten respektvoll in den Hintergrund und unterhielten sich murmelnd miteinander, während Claire direkt auf Jemmy und Brianna zusteuerte, ohne irgendjemand sonst zu beachten.
»Hallo, Schätzchen. Was ist denn los, geht’s uns miserabel?« Sie richtete sich murmelnd an Jemmy, drehte seinen Kopf zur Seite und betastete sanft die Stellen hinter seinem erröteten, runden Kiefer und seinen Ohren. »Armes Ding. Schon gut, Kleiner, Mami ist hier, Omi ist hier, alles wird gut... wie lange geht es ihm schon so? Hat er etwas getrunken? Ja, Schatz, so ist es gut... hat er Schmerzen beim Schlucken?«
Sie richtete abwechselnd beruhigende Bemerkungen an das Baby und Fragen an Brianna und Phaedre, und das alles im selben Tonfall ruhiger Sicherheit, während ihre Hände hier und dort etwas nachfühlten, erkundeten, beruhigten. Roger spürte die Wirkung am eigenen Körper und holte tief Luft, denn auch die Enge in seiner Brust ließ ein wenig nach.
Claire nahm sich ein Blatt von Jocastas schwerem Briefpapier vom Sekretär, rollte es zu einem Rohr zusammen und benutzte es, um konzentriert Jemmys Rücken und Brust abzuhören, während er weiterhin Geräusche machte wie ein erstickender Seehund. Roger nahm dumpf zur Kenntnis, dass ihr das Haar lose über den Rücken gefallen war; sie musste es zum Abhören beiseite streichen.
»Ja, natürlich ist es Krupp«, sagte sie geistesabwesend, als eine der Zuschauerinnen halb fragend eine schüchterne Diagnose äußerte. »Aber er hat nur den Husten und die Atembeschwerden. Man kann Krupp allein bekommen oder als Anfangssymptom für eine ganze Reihe anderer Dinge.«
»Zum Beispiel?« Brianna hielt Jemmy fest umklammert, und ihr Gesicht war fast genauso weiß wie ihre Fingerknöchel.
»Oh...« Claire schien gebannt zu lauschen, allerdings nicht auf Brianna, sondern auf das, was in Jemmys Innerem vor sich ging. Er hatte jetzt aufgehört
zu husten und lag erschöpft an der Schulter seiner Mutter, wo er keuchend und belegt atmete, was sich wie eine Dampfmaschine anhörte. »Hm... einfacher Schnupfen. Influenza. Asthma. Diphtherie. Aber das ist es nicht«, fügte sie rasch hinzu, als sie beim Aufblicken Briannas Gesicht sah.
»Bist du sicher?«
»Ja«, erwiderte Claire bestimmt. Sie richtete sich auf und legte ihr improvisiertes Hörrohr beiseite. »Es fühlt sich überhaupt nicht wie Diphtherie an. Außerdem geht momentan keine Diphtherie um, sonst hätte ich davon gehört. Und er wird ja immer noch gestillt; er wäre immun -« Sie verstummte abrupt, weil sie sich ihrer Zuschauerinnen bewusst wurde. Sie räusperte sich und bückte sich erneut nieder, als wollte sie Jemmy durch ihr Beispiel ermutigen. Er jammerte leise auf und hustete erneut. Roger konnte es am eigenen Leib spüren, als läge ein Stein in seiner Brust.
»Es ist nichts Ernstes«, verkündete Claire überzeugt und richtete sich auf. »Aber wir müssen ihn in ein Kruppzelt stecken. Bring ihn in die Küche hinunter. Phaedre, würdest du mir bitte ein paar alte Decken suchen?«
Sie trat auf die Tür zu und scheuchte die Frauen vor sich her wie eine Hühnerschar.
Einem Impuls folgend, den er nicht in Frage stellen wollte, streckte Roger die Arme nach dem Baby aus, und nach einer Sekunde des Zögerns ließ Brianna zu, dass er es nahm. Jemmy wehrte sich nicht, sondern hing lustlos und schwer auf seinem Arm, erschreckend schlaff im Vergleich zu seinem normalen Gummigehüpfe. Roger konnte durch sein Hemd hindurch spüren, wie die Wange des Babys brannte, als er den Kleinen jetzt nach unten trug, Brianna an seiner Seite.
Die Küche befand sich im gemauerten Keller des Hauses, und als sie sich über die Hintertreppe in die finsteren Tiefen begaben, ereilte Roger eine kurze Vision von Orpheus beim Abstieg in die Unterwelt, dicht gefolgt von Eurydike. Anstelle einer magischen Lyra jedoch trug er ein Kind, das wie Kohle brannte und hustete, als wollten seine Lungen platzen. Wenn er sich nicht umsah, dachte er, würde dem Jungen nichts geschehen.
»Etwas kaltes Wasser wäre vielleicht nicht schlecht.« Claire legte Jemmy die Hand auf die Stirn und fühlte seine
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