Das Flammende Kreuz
vorbehalten blieb, die sehr viel Schmutz machten oder übel rochen. Durch den Aufruhr geweckt, waren sämtliche Sklaven auf den Beinen und bei der Arbeit, obwohl einige von ihnen so aussahen, als würden sie bei der erstbesten Gelegenheit in der nächsten Ecke zusammenbrechen und wieder einschlafen. Die Chefköchin war allerdings hellwach, und es stand fest, dass während ihrer Schicht niemand schlief.
Die Küche war warm und einladend, die Wände vom Herdfeuer gerötet und die Luft mit den angenehmen Düften von Suppe, heißem Brot und Kaffee erfüllt. Ein ausgezeichnetes Plätzchen, so fand ich, um uns hinzusetzen und uns ein bisschen zu erholen, bevor wir zu Bett schwankten, doch Jamie hatte offenbar andere Pläne.
Er blieb gerade lange genug bei der Köchin stehen, um sie in ein höfliches Gespräch zu verwickeln und dabei nicht nur einen kompletten, mit Zimt bestäubten und mit Butter beträufelten Streuselkuchen zu ergattern, sondern auch einen großen Krug mit frisch gebrühtem Kaffee. Dann verabschiedete er sich, zog mich von dem Hocker hoch, auf dem ich dankbar niedergesunken war, und schon waren wir wieder unterwegs, hinaus in den kühlen Wind der ersterbenden Nacht.
Ich hatte ein sehr seltsames Déjà-vu -Gefühl, als er in den gepflasterten Pfad einbog, der zu den Stallungen führte. Das Licht war genauso, wie es vor vierundzwanzig Stunden gewesen war, und dieselben, stecknadelkopfgroßen Sterne verblassten gerade am selben, holzkohlefarbenen Himmel. Derselbe, schwache Hauch von Frühling umwehte uns, und ich erschauerte erinnernd.
Doch wir gingen gesetzt Seite an Seite, anstatt zu fliegen - und die beunruhigenden Gerüche nach Blut und Brand überlagerten meine Erinnerungen. Mit jedem Schritt hatte ich das Gefühl, als würde ich gleich die Schwingtür eines Krankenhauses aufdrücken, als müssten mich jeden Moment das Summen der Neonröhren und der schwache Geruch von Arzneien und Bohnerwachs umfangen.
»Schlafentzug«, murmelte ich vor mich hin.
»Später ist noch genug Zeit zum Schlafen, Sassenach«, erwiderte Jamie. Er schüttelte sich kurz und entledigte sich der Müdigkeit wie ein Hund, der sich das Wasser aus dem Pelz schüttelt. »Wir müssen hier erst noch ein paar Kleinigkeiten erledigen.« Doch er nahm den in ein Handtuch gewickelten Kuchen in die andere Hand und ergriff mit der freien Hand vorbeugend meinen Ellbogen, nur für den Fall, dass ich im Begriff war, vor Erschöpfung kopfüber in das Kohlbeet zu plumpsen.
Dabei hatte ich das gar nicht vor. Ich hatte nur gemeint, dass der Schlafmangel an meinem leicht halluzinatorischen Gefühl schuld war, wieder in einem Krankenhaus zu sein. Als Assistentin, Stationsärztin und Mutter hatte ich jahrelang schlaflose Nächte durchgearbeitet und gelernt, trotz völliger Erschöpfung zu funktionieren - und zwar gut.
Es war dasselbe Gefühl, das sich jetzt über mich stahl, als ich die simple Schläfrigkeit hinter mir ließ und in einen Zustand künstlich überhöhter Wachheit eintauchte.
Ich fühlte mich kalt und geschrumpft, als ob ich nur noch den innersten Kern meines Körpers bewohnte, durch eine dicke Schicht leblosen Gewebes von der Außenwelt isoliert. Gleichzeitig nahm ich jedoch jedes winzige Detail meiner Umgebung unnatürlich lebhaft wahr, vom köstlichen Duft der Lebensmittel, die Jamie dabei hatte, und dem Rascheln seiner Rockschöße bis hin zu dem entfernten Gesang in den Sklavenunterkünften und den Spitzen des sprießenden Maises in den Gemüsebeeten rechts und links des Pfades.
Dieses Gefühl hellwacher Geistesabwesenheit ließ nicht nach, als wir jetzt dem Verlauf des Pfades zu den Stallungen folgten. Etwas erledigen, hatte er gesagt. Ich ging nicht davon aus, dass er vorhatte, unser Stelldichein von gestern zu wiederholen. Falls ihm jedoch eine ruhigere Art von Orgie mit Kaffee und Kuchen vorschwebte, kam es mir seltsam vor, dass er sie im Stall abhalten wollte anstatt im Salon.
Die Seitentür war nicht verriegelt, und die warmen Gerüche von Heu und schlafenden Tieren strömten heraus.
»Wer ist da?«, sagte eine leise, tiefe Stimme aus dem Schatten im Inneren des Gebäudes. Roger. Natürlich; er hatte der Versammlung in Jocastas Zimmer nicht beigewohnt.
»Fräser«, erwiderte Jamie ebenso leise, zog mich hinein und schloss die Tür hinter uns.
Roger war am Ende einer Boxenreihe als Umriss vor einer schwach leuchtenden Laterne zu sehen. Er war in einen Umhang gehüllt, und das Licht umgab sein dunkles Haar mit einer
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