Das Flammende Kreuz
mich, wenn es so wäre, wohl kaum verpflichtet fühlen würde, Euch darüber zu informieren.«
»Ach nein?« Jamie trank nachdenklich einen Schluck Kaffee, dann reichte er mir den Krug. »Wie steht es dann mit Euren Verpflichtungen als Gast gegenüber seinen Gastgebern, Mr. Wylie?«
Wylies dunkle Augenbrauen hoben sich erstaunt.
»Was meint Ihr damit, Sir?«
»Ich gehe davon aus, Sir, dass Euch nicht bewusst ist, dass Mrs. Innes und
ihr Gatte gestern Abend überfallen wurden und man versucht hat, sie auszurauben?«
Wylie klappte der Mund auf. Entweder war er ein sehr guter Schauspieler, oder seine Überraschung war echt. Aufgrund meiner bisherigen Bekanntschaft mit dem jungen Mann glaubte ich nicht, dass er schauspielern konnte.
»Nein, das ist es nicht. Wer...« Ihm kam ein Gedanke, und seine Verwirrung verwandelte sich erneut in Bestürzung. Seine Augen quollen ein wenig vor. »Ihr glaubt, ich hatte etwas zu tun mit diesem - diesem -«
»Gemeinen Verbrechen?«, schlug Roger vor. Jetzt, wo er des langweiligen Wachdienstes enthoben war, schien er sich prächtig zu amüsieren. »Aye, ich denke, das tun wir. Etwas Streuselkuchen zu Eurem Kaffee, Sir?« Er hielt Wylie ein Stück Kuchen hin; Wylie starrte es einen Moment an, dann sprang er auf und schlug Roger den Kuchen aus der Hand.
»Ihr Schurke!« Er baute sich mit geballten Fäusten vor Jamie auf. »Ihr wagt es, mir zu unterstellen, dass ich ein Dieb bin?«
Jamie hob das Kinn.
»Aye, das tue ich«, sagte er kühl. »Ihr habt versucht, mir meine Frau vor der Nase wegzustehlen - warum solltet Ihr vor dem Besitz meiner Tante Halt machen?«
Wylies Gesicht lief unter den Überresten seines Puders zu einem scheußlichen Dunkelrot an. Hätte er keine Perücke getragen, hätten ihm die Haare zu Berge gestanden.
»Ihr... unglaublicher... Mistkerl !«, keuchte er. Dann stürzte er sich auf Jamie. Sie landeten krachend in einem Wirrwarr aus Armen und Beinen am Boden.
Ich sprang zurück und drückte mir den Kaffeekrug an die Brust. Roger machte einen Satz auf das Getümmel zu, doch ich schnappte mit der freien Hand nach ihm, um ihn zurückzuhalten, und erwischte seinen Umhang.
Jamie war Wylie an Körpergröße und Geschick überlegen, doch auch Wylie war kein Anfänger in der Kunst der Prügelei, und außerdem wurde er von grenzenloser Wut beflügelt. Noch ein paar Augenblicke, und Jamie würde ihn gefügig gehämmert haben, doch ich hatte nicht vor, so lange zu warten.
Stocksauer auf alle beide, trat ich vor und kippte die Kaffeekanne über ihnen aus. Der Kaffee war zwar nicht mehr kochend heiß, aber er war heiß genug. Die beiden jaulten überrascht auf und rollten auseinander. Dann rappelten sie sich hoch und schüttelten sich. Ich glaubte, Roger hinter mir lachen zu hören, doch als ich zu ihm herumfuhr, blickte er ungerührt, wenn auch höchst interessiert drein. Er sah mich mit hoch gezogenen Augenbrauen an und stopfte sich noch ein Stück Kuchen in den Mund.
Als ich mich wieder umdrehte, war Jamie schon auf den Beinen, und Wylie erhob sich gerade von den Knien. Sie waren beide mit Kaffee durchtränkt, und ihren Mienen war deutlich anzusehen, dass sie vorhatten, an der Stelle
fortzufahren, wo ich sie unterbrochen hatte. Ich schob mich zwischen sie und stampfte mit dem Fuß auf.
»Ich habe genug davon, zum Kuckuck!«
»Ich nicht!«, zischte Wylie aufgebracht. »Er hat meine Ehre verletzt, und ich verlange -«
»Oh, zum Teufel mit Eurer verflixten Ehre - und mit deiner auch!«, knurrte ich und funkelte zuerst ihn an, dann Jamie. Jamie, der offensichtlich im Begriff gewesen war, etwas ähnlich Haarsträubendes zu sagen, begnügte sich stattdessen mit einem sonoren Prusten.
Ich trat gegen einen der umgestürzten Hocker und deutete mit der Hand darauf, wobei ich Jamie weiter anfunkelte.
»Hinsetzen!«
Er zupfte den klatschnassen Stoff seines Hemdes von seiner Brust ab, stellte den Hocker wieder hin und nahm immens würdevoll darauf Platz.
Wylie war sehr viel weniger geneigt, mir Beachtung zu schenken, und erging sich in weiteren Bemerkungen über seine Ehre. Ich trat ihm vor das Schienbein. Diesmal trug ich feste Schuhe. Er jaulte auf und hüpfte auf einem Fuß herum, während er sich das schmerzende Bein rieb. Die Pferde, die durch den Aufruhr in ihrer Ruhe gestört waren, standen stampfend und schnaubend in ihren Boxen, und die Luft war von herumfliegender Spreu erfüllt.
»Legt Euch besser nicht mit ihr an, wenn sie in Rage ist«, unterrichtete
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