Das Flammende Kreuz
in Schottland. Und dass sie Fergus hat.«
»So wie du Jamie hast?« Brianna benutzte seinen Vornamen nur selten, und Claire blickte überrascht auf.
»Ja«, sagte sie. »Jamie ist ein Teil von mir. Genau wie du.« Sie berührte Briannas Gesicht, rasch und sacht, dann wandte sie sich halb zur Seite, um der Kräutersammlung, die über dem Kamin an einem Balken hing, ein Bündel Majoran zu entnehmen. »Aber keiner von euch macht mich ganz aus«, sagte sie leise mit dem Rücken zu Brianna. »Ich bin... was ich bin. Ärztin, Krankenschwester, Heilerin, Hexe-ganz gleich, wie die Leute es nennen, die Bezeichnung spielt keine Rolle. Ich bin dazu geboren; ich werde es sein, bis ich sterbe. Wenn ich dich verlöre - oder Jamie - wäre ich kein vollständiger Mensch mehr, aber das bliebe mir immer noch. Eine kurze Zeit lang«, fuhr sie so leise fort, dass Brianna sich anstrengen musste, um sie zu hören, »nachdem ich... zurückgegangen war... bevor du gekommen bist... war es alles, was ich hatte. Nur dieses Wissen.«
Claire krümelte den getrockneten Majoran in den Mörser und ergriff den Stößel, um ihn zu zerkleinern. Draußen erklang das Geräusch trampelnder Stiefel, dann Jamies Stimme, eine freundliche Bemerkung zu einem Huhn, das seinen Weg kreuzte.
War es nicht genug für sie, Roger zu lieben, Jemmy zu lieben? Eigentlich hätte es so sein sollen. Sie verspürte ein schreckliches, dumpfes Gefühl, dass es vielleicht nicht so war, und redete schnell, bevor der Gedanke sich in Worte fasste.
»Was ist mit Pa?«
»Was ist mit ihm?«
»Ist er - meinst du, er gehört zu denen, die wissen, was sie sind?«
Claire hielt die Hände still, und der klirrende Stößel verstummte.
»O ja«, sagte sie. »Er weiß es.«
»Ein Gutsherr? Würdest du es so nennen? Ich weiß, dass er in Schottland einer war.«
Ihre Mutter zögerte und überlegte.
»Nein«, sagte sie schließlich. Sie ergriff den Stößel und begann wieder zu stampfen. Der Duft des getrockneten Majorans erfüllte das Zimmer wie Weihrauch. »Er ist ein Mann«, sagte sie, »und das ist keine Kleinigkeit.«
79
Das hört sich einsam an
Brianna schloss das Buch mit einer Mischung aus Erleichterung und unangenehmen Vorahnungen. Sie hatte nichts dagegen gehabt, als Jamie vorschlug, dass sie ein paar kleinen Mädchen aus Fraser’s Ridge das ABC beibrachte. Es füllte die Blockhütte für ein paar Stunden mit fröhlichen Klängen, und Jemmy genoss es, sich von einem halben Dutzend Miniaturmüttern verwöhnen zu lassen.
Doch sie war keine geborene Lehrerin, und am Ende der Stunde war sie stets erleichtert. Aber das unangenehme Gefühl folgte sogleich. Die meisten Mädchen kamen allein oder wurden von einer älteren Schwester beaufsichtigt. Anne und Kate Henderson, die zwei Meilen entfernt wohnten, wurden von ihrem älteren Bruder Obadiah begleitet.
Sie wusste nicht genau, wann oder wie es angefangen hatte. Möglicherweise schon am ersten Tag, als er ihr mit einem schwachen Lächeln ins Gesicht gesehen hatte und ihren Blick eine Sekunde zu lange erwidert hatte, bevor er seinen Schwestern die Köpfe tätschelte und sie in Briannas Obhut entließ. Doch rational betrachtet, gab es nichts, worüber sie sich beschweren konnte. Damals nicht, und auch in den Tagen nicht, die seitdem vergangen waren. Und doch...
Wenn sie sich selbst gegenüber ganz ehrlich war, bekam sie bei dem Gedanken an Obadiah Henderson eine Gänsehaut. Er war ein hoch gewachsener, junger Mann von etwa zwanzig, kräftig bemuskelt und nicht unansehnlich, braunhaarig und blauäugig. Aber irgendetwas stimmte mit ihm nicht; er hatte einen brutalen Zug um den Mund, etwas Raubtierhaftes in seinen tief liegenden Augen. Und die Art, wie er sie ansah, hatte etwas zutiefst Beunruhigendes an sich.
Sie hasste es, am Ende des Unterrichts zur Tür zu gehen. Die kleinen Mädchen würden sich kichernd und mit flatternden Kleidchen zerstreuen - und Obadiah würde wartend an einem Baum lehnen, auf dem Brunnenrand sitzen, und einmal hatte er es sich sogar auf der Bank vor ihrer Tür gemütlich gemacht.
Die konstante Unsicherheit, nie zu wissen, wo er sein würde - aber genau zu wissen, dass er da sein würde, ging ihr fast genauso sehr an die Nieren wie seine halb lächelnde Miene und das schweigende Grienen, fast so, als kniffe er ihr ein Auge, wenn er sie stehen ließ, als ob er ein schmutziges, kleines Geheimnis über sie wüsste, das er jedoch für sich behielt - vorerst.
Mit einer gewissen Ironie begriff sie,
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