Das Flüstern der Albträume
Schreibtisch und kritzelte ein paar Ziffern auf ein Stück Papier. »Das ist meine Handynummer. Sie können mich jederzeit erreichen.«
»Sehr gut.«
»Ich weiß, dass Eva wie ein bemitleidenswertes Geschöpf wirkt. Aber das ist sie nicht. Sie ist intelligent und berechnend. Vielleicht versuchen Sie einmal, herauszufinden, wo sie war, als diese armen Frauen ermordet wurden. Ich würde mein Vermögen verwetten, dass sie etwas damit zu tun hat.«
»Ich werd’s mir merken.«
Garrison betrat um kurz nach zweiundzwanzig Uhr den King’s Pub . Er hätte für heute Schluss machen sollen, doch ihm ging nicht aus dem Sinn, was Kristen über Eva gesagt hatte. Wahrscheinlich, weil er sie als genau das sah, was sie angeblich nicht war: ein bemitleidenswertes Geschöpf. Eva hatte etwas an sich, das den Wunsch in ihm weckte, sie zu beschützen. Und diese Reaktion beunruhigte ihn als Mann und als Polizist. Er hatte versucht, seine Schwester und seine Frau zu beschützen. Er hatte ihr Ritter sein wollen, und beide Male war es schlecht ausgegangen.
Er setzte sich an die Bar und beobachtete, wie Eva einem Gast ein Bier brachte. Sie hatte ihr langes Haar zu einem Pferdeschwanz zusammengebunden, was ihr frisches Gesicht betonte. Sie trug eine Jeans, die ihr an den schmalen Hüften zu weit war, und ein eng anliegendes T-Shirt. Garrison nahm sich eine Handvoll Nüsse und steckte sie in den Mund, während er darauf wartete, dass sie ihn bemerkte. Er musste nicht lange warten.
Eva kam auf ihn zu und trocknete sich die Hände an einem weißen Geschirrtuch ab. Ihre kleine Gestalt strahlte etwas Herausforderndes aus, das sie mehr wie eine Frau von Mitte zwanzig denn wie eine Jugendliche wirken ließ. Die Veränderung war ihm nur willkommen.
»Nun, Detective, was kann ich Ihnen bringen?«
»Wie wär’s mit einem Bier?«
Eva füllte einen Krug am Zapfhahn und stellte ihn vor ihn hin. »Die Küche ist noch eine halbe Stunde geöffnet. Hunger?«
Er hatte nicht vorgehabt, etwas zu essen, aber die Idee schien vernünftig. »Ja.«
»Möchten Sie wieder das blutige Roastbeef auf getoastetem Roggenbrot?«
»Vergessen Sie eigentlich nie etwas?«
»Normalerweise nicht.«
»Roastbeef wäre gut.« Er drehte den Griff des Bierkrugs zu sich hin. »Wenn ich Ihnen ein paar Dutzend Zahlen vorsagen würde, könnten Sie sich die merken?«
»Ja.«
Kein Prahlen, nur eine Feststellung. »Wollen Sie es mal versuchen?«
Sie zuckte die Schultern. »Ist das irgendein Trick?«
»Ich bin nur neugierig.«
»Gut. Los.«
Er zog Stift und Notizblock aus der Tasche. »Ich muss die Zahlen aufschreiben, sonst weiß ich sie nachher nicht mehr.«
»Klar.«
»Fertig?«
»Ja.«
Er sagte Dutzende von Zahlen auf und notierte sie gleichzeitig. »Zu viele?«
Eva stützte eine Hand in die Hüfte. »Mehr haben sie nicht?«
Ihm gefiel ihr Selbstvertrauen. »Lassen Sie mal hören.«
Eva wiederholte die Zahlen, ohne auch nur eine einzige zu vergessen, dann fragte sie: »Wie war die Show?«
Garrison blickte von seinem Notizblock auf. »Fotografisches Gedächtnis.«
»So nennt man es.« Sie beugte sich vor und tippte seine Bestellung ein.
Garrison lockerte seine Krawatte. »Wieso arbeiten Sie in einem Pub?«
»Mir gefällt es hier. King ist ein guter Mensch, und die Gäste sind zum größten Teil nette Leute.«
»Eva, Sie haben ein fotografisches Gedächtnis. Und ich habe ihre Studienakte gelesen. Ihr IQ sprengt jede Skala.«
»Sie waren im Price.« Das schelmische Funkeln in ihren Augen erlosch, was er bedauerte.
Mit einem Mal wurde ihm klar, dass sie Angst hatte, der Welt zu zeigen, wie brillant sie war. Beim letzten Mal war sie immerhin ausgenutzt und vergewaltigt und wegen Totschlags verurteilt worden.
»Ich habe heute Kristen Hall einen Besuch abgestattet.« Er steckte sich eine Nuss in den Mund und wartete auf ihre Reaktion.
»Hat sie Ihnen erzählt, dass ich da war?«
»Ja.«
Eva stieß einen Seufzer aus. »Ehe Sie fragen – ich bin zu ihr gegangen, weil ich etwas über die Nacht von Josiahs Tod erfahren wollte. Sie war mir allerdings keine Hilfe.«
»Das ist alles?«
»Was sollte ich sonst für einen Grund haben, Detective?« Sie beugte sich vor. »Glauben Sie, ich bin hingegangen, um sie umzubringen?«
»Das versuche ich gerade herauszufinden. Die Leute in Ihrem Umfeld neigen dazu, zu sterben.«
»Ich bringe Unglück. Das weiß ich.«
»Kristen sagte, Sie hätten eine Affäre mit Cross gehabt.«
Für einen kurzen Moment blitzte Zorn in
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