Das Flüstern der Nacht
versuchen, ihn in der kommenden Nacht vom alagai’sharak fernzuhalten, aber er wollte verdammt sein, wenn er sich dazu überreden ließe.
Vor ihm stand Evakh, der kai’Sharum vom Stamm der Sharach.
»Da von uns nur noch vier dal’Sharum am Leben sind, muss ich den Sharum Ka zu meinem Bedauern darauf hinweisen, dass die Sharach nicht mehr genug Krieger haben, um einen eigenen Verband zu bilden«, erklärte Evakh, das Haupt vor Scham gesenkt. »Es wird viele Jahre dauern, bis unser Stamm sich von diesen Verlusten erholt hat.« Er sprach nicht aus, was alle dachten: dass die Sharach sich wahrscheinlich nie wieder erholen sondern entweder aussterben oder mit einem anderen Stamm verschmelzen würden.
Jardir schüttelte den Kopf. »Gestern Nacht wurden viele Einheiten zerschlagen. Ich werde dal’Sharum auffordern, ihre Sharach-Brüder mit ihren Speeren zu unterstützen. Noch heute Nacht wirst du Befehlsgewalt über einen Verband aus Kriegern haben.«
Vor Staunen traten dem kai’Sharum fast die Augen aus dem Kopf. »Das ist viel zu großzügig, Erster Krieger.«
»Unsinn!« Jardir winkte ab. »Weniger hätte ich guten Gewissens gar nicht tun können. Außerdem werde ich mit Geld aus meiner eigenen Schatulle Frauen für euch kaufen, damit eurem Stamm möglichst viele Kinder geboren werden.« Er lächelte. »Wenn eure Männer mit ebenso viel Energie an diese Aufgabe herangehen, wie sie im alagai’sharak aufbringen, müssten sich die Sharach sehr bald erholen.«
»Die Sharach stehen für ewig in deiner Schuld, Erster Krieger«, erwiderte der Mann, bevor er sich Jardir zu Füßen warf und mit der Stirn den Boden berührte.
Jardir stieg von seinem Podest herunter und legte dem Krieger eine Hand auf die Schulter.
»Ich bin auch ein Sharach«, erklärte er, »genau wie meine drei Söhne und die beiden Töchter, die Qasha mir geschenkt hat. Ich lasse es nicht zu, dass unser Stamm in der Nacht untergeht.« Der Krieger küsste seine Füße, die in Sandalen steckten, und Jardir spürte die Tränen, die aus den Augen des Mannes tropften.
»Die Kaji und die Majah werden keine Frauen an einen anderen Stamm verkaufen«, meinte Ashan, als Evakh gegangen war. »Aber die Mehnding haben Töchter im Überfluss und sind dem Sharum Ka treu ergeben. Gestern Nacht fielen ihre Verluste gering aus.«
Jardir nickte. »Biete ihnen an, so viele Frauen zu verkaufen, wie sie entbehren können. Was es kostet, ist nicht von Belang. Auch andere Stämme werden frisches Blut brauchen, um diesen Vorfall zu überleben.«
Ashan verneigte sich. »Es wird alles so geschehen, wie du es wünschst. Aber gehört es nicht zu den Pflichten der Damaji , sich um den Fortbestand der Stämme zu kümmern?«
Jardir blickte ihn vielsagend an. »Komm, mein Freund, du weißt so gut wie ich, dass diese alten Männer keinen Finger krümmen würden, um einander zu helfen, selbst in dieser Notlage nicht. Die Sharum müssen sich gegenseitig Beistand leisten.«
Wieder verbeugte sich Ashan.
Es gab noch mehr Berichte, und viele davon waren genauso niederschmetternd. Müde hörte sich Jardir jeden einzelnen an, versprach allen, die Unterstützung brauchten, Hilfe, und fragte sich, in welchem Zustand sich die Armee befinden mochte, die sich in der kommenden Nacht versammeln würde.
Schließlich verabschiedete sich der letzte seiner Kommandanten, und er stieß einen tiefen Seufzer aus.
»Bringt den Par’chin und den khaffit herein«, befahl er.
Ashan gab den Wachen ein Zeichen, und die beiden Männer wurden in den Raum geführt. Die dal’Sharum stießen Abban vor dem Podest grob zu Boden.
»Du wirst für den Sharum Ka dolmetschen, khaffit «, ordnete Ashan an.
»Ja, mein dama «, erwiderte Abban, die Stirn auf den Boden gepresst.
Der Nordländer sagte etwas zu Abban, der durch zusammengebissene Zähne eine Antwort murmelte.
»Was hat er gesagt?«, wollte Jardir wissen.
Abban schluckte krampfhaft und zögerte.
Der Wächter, der hinter Abban Posten bezogen hatte, verpasste ihm mit seinem Speer einen Schlag über den Rücken. »Der Sharum Ka hat dich etwas gefragt, Sohn von Kamelpisse!«
Abban schrie vor Schmerzen auf; der Nordländer gab einen barschen Ruf von sich, schubste den Krieger zurück und stellte sich zwischen ihn und Abban. Eine Weile funkelten er und der dal’Sharum sich wütend an, dann wanderte der Blick des Kriegers unschlüssig zu Jardir.
Mit keiner Silbe ging Jardir auf das Geplänkel ein. »Ich frage dich nur einmal«, warnte er
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