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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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worüber er nie nachgedacht hatte. »Bedauerst du es manchmal, vom Kampf gegen die alagai ausgeschlossen zu sein? Wünschst du dir denn niemals, du hättest trotz deiner Feigheit das Labyrinth von innen gesehen?«
    Eine geraume Zeit lang hinkte Abban schweigend neben ihm her. »Was spielt das für eine Rolle?«, fragte er schließlich. »Es war nicht meine Bestimmung.«
    Sie marschierten noch ein Stück weiter, bis Jardir plötzlich wie angewurzelt stehen blieb und vor Staunen die Augen aufriss. Auf der anderen Seite der Gasse stand ein hünenhafter khaffit , mindestens sieben Fuß groß, und unter seiner gelbbraunen Kleidung zeichneten sich wahre Muskelberge ab. Unter jeden seiner Arme hatte er ein großes Wasserfass geklemmt, und dabei schien er sich so wenig anzustrengen als trüge er ein Paar Sandalen.
    »Du da!«, rief Jardir, aber der Riese gab keine Antwort. Eilig überquerte Jardir die Straße und packte ihn beim Arm. Erschrocken warf sich der khaffit herum und hätte beinahe die Wasserfässer fallen gelassen, ehe er sich wieder fing. »Ich habe dich gerufen, khaffit «, knurrte Jardir.
    Abban legte eine Hand auf Jardirs Arm. »Er hat dich nicht gehört, Erlöser. Dieser Mann ist von Geburt an taub.« Und tatsächlich stöhnte der Hüne und deutete hektisch auf seine Ohren. Abban vollführte mit den Händen ein paar rasche Gebärden, die ihn beruhigten.
    »Taub?«, fragte Jardir. »Versagte er deshalb beim Hannu Pash ?«
    Abban lachte. »Kinder mit solchen Geburtsfehlern werden gar nicht erst zum Hannu Pash zugelassen, Erlöser. Der Mann kam bereits als khaffit auf die Welt.«

    Ein anderer khaffit , ein robust wirkender Mann von ungefähr fünfunddreißig, verließ eine Verkaufsbude, sah Jardir und Abban und blieb wie vom Donner gerührt stehen.
    »Halt!«, befahl Jardir, als der Mann sich dann plötzlich in Bewegung setzte und weglaufen wollte. Augenblicklich fiel der khaffit auf die Knie und drückte sein Gesicht in den Staub.
    »Oh großer Shar’Dama Ka «, winselte der Mann. »Ich bin nicht würdig, dass du mir Beachtung schenkst.«
    »Du hast nichts zu befürchten, mein Bruder.« Sachte legte Jardir eine Hand auf die Schulter des völlig verängstigten Mannes. »Ich gehöre keinem Stamm an und keiner Kaste. Ich stehe für ganz Krasia, für die dama , die Sharum und auch für die khaffit .«
    Bei diesen Worten schien sich die Anspannung des Mannes ein wenig zu lösen. »Verrate mir, warum du die gelbbraune Kleidung trägst, Bruder.«
    »Ich bin ein Feigling, Erlöser«, antwortete der Mann beschämt. »In meiner ersten Nacht im Labyrinth verließ mich der Mut. Ich durchtrennte das Lederband und ich … lief meinem ajin’pal davon.« Er fing an zu weinen, und Jardir überließ ihn seinen Gefühlen. Nach einer Weile drückte er die Schulter des Mannes und brachte ihn dazu, den Blick zu heben.
    »Auf meinem Weg durch den Basar darfst du hinter mir gehen«, erklärte er, und vor Überraschung schnappte der Mann nach Luft. »Der Gehörlose soll auch mitkommen«, wandte er sich an Abban, der sich wieder durch Handzeichen mit dem Hünen verständigte. Ergeben trotteten die beiden khaffit hinter Abban und Jardir her, und alle, die diesen Vorfall mitbekommen hatten, egal, ob Mann oder Frau, schlossen sich ihnen an. Sogar die Verkäufer ließen ihre Waren im Stich, um dem Erlöser zu folgen.
    Wohin Jardir auch blickte, er entdeckte immer mehr rüstige Männer in der gelbbraunen Kluft, denen man aus den unterschiedlichsten Gründen die schwarze Tracht der Sharum verweigert hatte. Keiner wagte es, ihn zu belügen, wenn er sie danach fragte.

    »Als Kind war ich oft krank«, erzählte einer.
    »Ich kann keine Farben sehen«, sagte ein anderer.
    »Mein Vater hat den dama bestochen, damit er mich überging«, gestand der Dritte.
    »Ich brauche geschliffene Linsengläser für meine Augen«, hörte er häufig, und nicht wenige hatte man aus dem sharaj hinausgeworfen, nur weil sie Linkshänder waren.
    Jardir klopfte jedem einzelnen von ihnen auf die Schulter und gab ihnen die Erlaubnis, ihm zu folgen. Bald zog eine riesige Menschenschar hinter ihm her, und sie sammelten jeden ein, an dem sie unterwegs vorbeikamen. Schließlich drehte sich Jardir um und betrachtete seine Gefolgschaft, deren Zahl in die Tausende ging, und nickte. Er sprang auf einen Verkaufskarren, um über der Menge zu stehen, und sein Blick wanderte über die Frauen und khaffit .
    »Ich bin Ahmann asu Hoshkamin am’Jardir asu Kaji!«, rief er und

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