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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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geht, gewisse Ereignisse
zu deuten.« Sein Blick heftete sich auf den Tätowierten Mann. »So groß die Versuchung auch sein mag, dem nach Sensationen gierenden Publikum zu gefallen.«
    »Ich weiß mich zu beherrschen, Minister«, gab Rojer mit einer übertrieben tiefen Verbeugung zurück.
    Janson schien zufrieden zu sein. »Nun denn, dann wünsche ich euch allen noch einen guten Tag.«
    Er und der Prinz traten durch die Tür und verließen das Hospital.
    Kaum waren sie draußen, schnappte sich Leesha Rojer. »Was meinte er mit dieser ›Bordellaffäre‹?«, bedrängte sie ihn.
    »Ein ganzes Rudel Walddämonen könnten mich nicht zum Sprechen bringen«, versetzte Rojer. »Du brauchst also gar nicht erst zu fragen.«

    Durch Jizells Küchenfenster beobachtete Leesha am anderen Morgen, wie eine Kutsche vor dem Hospital hielt. Auf den breiten Türen blitzte Rhinebecks Wappen - eine hölzerne Krone, die über einem mit Efeu bewachsenen Thron schwebte. Begleitet wurde die Kutsche von Prinz Thamos, der in voller Rüstung auf einem riesigen Streitross saß, und einem Trupp seiner Elitegarde, den Holzsoldaten, die zu Fuß marschierten.
    »Sie sind ja mit einer ganzen Armee angerückt«, meinte Rojer, der sich neben Leesha stellte und auch hinausschaute. »Ich weiß nicht, ob wir beschützt oder verhaftet werden.«
    »Warum sollte der Tag anders sein als die Nacht?«, fragte der Tätowierte Mann.
    »Vielleicht ist es üblich, Leute zu eskortieren, die der Herzog zu einer Audienz geladen hat«, schlug Leesha vor.
    Rojer schüttelte vehement den Kopf. »Als Arrick noch Herold war, bin ich oft in dieser Kutsche mitgefahren. Für eine Fahrt
durch die Stadt haben wir nie eine Schwadron Holzsoldaten gebraucht.«
    »Gestern Nacht müssen sie den Pfeil ausprobiert haben«, vermutete Leesha. »Also wissen sie jetzt, dass wir ihnen wirklich etwas anzubieten haben.«
    Der Tätowierte Mann zuckte mit den Schultern. »Wir werden ja sehen. Entweder sind die Soldaten hier, um uns Geleit zu geben, oder wir schicken sie als Krüppel zu Rhinebeck zurück.« Leesha klappte den Mund auf, aber bevor sie etwas sagen konnte, stapfte der Tätowierte Mann auf Jizells Hof hinaus. Die anderen folgten ihm.
    Ein Lakai stellte ein Treppchen vor die Kutsche und hielt den Schlag auf. Hoch zu Ross sah Thamos zu, wie sie in das Gefährt stiegen, und als der Tätowierte Mann vorbeikam, deutete er ein kaum wahrnehmbares Nicken an. Bald rumpelten sie über die Planken zu Rhinebecks Palast.
    Die Residenz des Herzogs war das einzige Gebäude in der Stadt, das ganz aus Stein gebaut war, eine ungeheure Zurschaustellung von Reichtum. Und wie das Domizil des Herzogs Euchor von Miln, so war auch Rhinebecks herrschaftlicher Sitz eine zur Selbstversorgung fähige kleine Bastion innerhalb der größeren Festung der Hauptstadt. Ringsum von freien Flächen umgeben, ragte die Außenmauer dreißig Fuß in die Höhe; die Rillen der eingemeißelten großen Siegel waren mit buntem Lack gefüllt. Sie wirkten beeindruckend stabil, obwohl sie wahrscheinlich noch nie von etwas Stärkerem als einem einsamen Winddämon auf die Probe gestellt worden waren. Sollte es einmal dazu kommen, dass in den Mauern von Fort Angiers eine Bresche entstand und Dämonen scharenweise in die Stadt strömten, konnte Rhinebeck seine Palasttore schließen und in Sicherheit den Tagesanbruch abwarten, selbst wenn ringsum die ganze Stadt in Flammen aufging.
    Innerhalb der Wälle kamen sie an den privaten Gärten und Viehherden des Herzogs vorbei, außerdem an Dutzenden von Unterkünften
für seine Bediensteten und Handwerker, ehe sie den Palast des Herzogs erreichten. Er war mehrere Stockwerke hoch und die noch darüber hinausragenden Beobachtungstürme durchstießen sogar das Siegelnetz der Residenz.
    Die Siegel an den Palastwänden dienten nicht nur dem Schutz, sondern waren gleichzeitig Kunstwerke. Leesha konnte die von den Symbolen ausgehende Kraft fühlen, und ihr Blick folgte den unsichtbaren Energielinien, die sie schufen.
    »Bitte folgt mir«, forderte Prinz Thamos den Tätowierten Mann auf, nachdem die Kutsche vor dem Palasteingang angehalten hatte. Leesha runzelte die Stirn, als sie hinter dem Prinzen den Palast betraten; sie fragte sich, ob sie während des ganzen Gesprächs übergangen würde, weil man sich nur dem Tätowierten Mann zu widmen gedachte. Dabei hatte er wiederholt erklärt, dass er nicht daran dachte, die Verantwortung für das Tal zu übernehmen, so wie Marick es abgelehnt hatte,

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