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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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Kopfschütteln sorgte Raddock dafür, dass er schwieg.
    Das Essen wurde eingenommen, und danach, bei Kaffee und Kuchen, besprach man der Reihe nach die Anliegen der einzelnen Dörfer.
    »Ich denke, jetzt wird es Zeit, dass wir uns das Mädchen ansehen«, beschloss Jeorje, als die Angelegenheiten seines Dorfes, das immer als Letztes drankam, abgeschlossen waren. Zu bestimmen, wann irgendetwas als beendet galt, kam der Stadtsprecherin zu, aber schon wieder überging er Selia und klopfte mit seinem Stock
auf den Boden, als sei er der Zeremonialhammer der Sprecherin. Selia schickte die Zeugen hinaus auf die Veranda, dann führte sie die neun Ratsmitglieder in die Spinnstube zu Renna.
    »Ist das nicht nur vorgetäuscht?«, zweifelte Jeorje.
    »Wenn du willst, kannst du sie von deiner eigenen Kräutersammlerin untersuchen lassen«, bot Selia ihm an. Jeorje nickte und rief nach seiner fast neunzig Jahre alten Frau Trena, die in Südwache die Kräutersammlerin war. Sie kam aus der Küche und ging zu dem Mädchen.
    »Männer raus!«, befahl Jeorje, und alle trabten zu ihren Plätzen am Tisch zurück. Selia saß am Kopfende und Jeorje, wie immer, ihr gegenüber.
    Nach einer Weile tauchte Trena wieder auf und sah Jeorje an, der ihr mit einem Kopfnicken die Erlaubnis zum Sprechen erteilte. »Was immer das Mädchen getan hat, der Schockzustand ist nicht vorgetäuscht«, erklärte sie. Wieder nickte Jeorje und forderte sie damit auf, sich zu entfernen.
    »Ihr habt euch mit eigenen Augen davon überzeugen können, in welcher Verfassung sie ist«, begann Selia und griff nach dem Hammer, bevor Jeorje wieder versuchte, das Protokoll an sich zu reißen. »Ich stimme dafür, dass jede Entscheidung verschoben wird, bis sie wieder zu sich kommt und sich selbst verteidigen kann.«
    »Beim Horc, das lasse ich nicht zu!«, brüllte Raddock. Er wollte aufspringen, aber Jeorje knallte seinen Gehstock auf den Tisch und hielt ihn in Schach.
    »Ich habe nicht den langen Weg auf mich genommen, um einen Blick auf ein schlafendes Mädchen zu werfen und wieder umzukehren, Selia«, beschwerte er sich. »Das Beste wird sein, wir hören uns jetzt die Zeugen und die Ankläger an, wie die Regeln es verlangen.« Selia runzelte die Stirn, aber niemand wagte zu widersprechen. Auch wenn sie die Stadtsprecherin war, bekäme sie keinen Rückhalt, wenn sie sich gegen Jeorje wandte. Sie rief Garric
herein, damit er seine Anschuldigung vorbringen konnte, und dann nacheinander die Zeugen, die von den Ratsmitgliedern befragt wurden.
    »Ich gebe nicht vor, zu wissen, was an jenem Abend geschah«, sagte Selia abschließend. »Außer dem Mädchen gibt es niemanden, der bei dem Vorfall zugegen war. Und bevor man ein Urteil über sie verhängt, sollte man ihr die Gelegenheit geben, etwas zu ihrer Entlastung vorzubringen.«
    »Keine Zeugen?!«, kreischte Raddock. »Gerade hat uns Stam Schneider erzählt, dass er sie gesehen hat, wie sie in die Richtung lief, in der kaum einen Augenblick später die Morde passierten!«
    »An dem Abend war Stam Schneider sternhagelvoll, Raddock«, warf Selia ein und schaute zu Rusco, der zustimmend nickte.
    »Er hat mir den Boden vollgekotzt, deshalb schmiss ich ihn raus und machte den Laden danach früher dicht als sonst«, bestätigte Rusco.
    »Schuld ist der, der ihm das Bier verkauft hat, sag ich!«, stänkerte Jeorje. Rusco zog die Stirn kraus, aber er war klug genug, den Mund zu halten.
    »Entweder er hat das Mädchen gesehen oder er hat es nicht gesehen, Selia«, bemerkte Coran Sumpfig. Andere nickten.
    »Er hat Renna in der Nähe gesehen, ja«, erwiderte Selia, »aber er hat nicht mitbekommen, wohin sie ging oder was sie tat.«
    »Willst du damit andeuten, dass sie mit der ganzen Sache nichts zu tun hat?«, fragte Jeorje ungläubig.
    »Natürlich ist sie in diese Geschichte verwickelt!«, fauchte Selia. »Jeder Idiot muss das begreifen. Aber keiner von uns kann bei der Sonne schwören, welche Rolle sie bei dieser Tat spielte. Vielleicht haben die Männer miteinander gekämpft und sich gegenseitig umgebracht. Vielleicht hat sie in Notwehr getötet. Coline und Trena bezeugen beide, dass sie geschlagen wurde.«
    »Das ist doch unwichtig, Selia«, mischte sich Raddock ein. »Zwei Männer können sich nicht gegenseitig mit ein und demselben
Messer töten. Macht es einen Unterschied, ob man weiß, welchen Mann sie ermordet hat, wenn es nicht sogar alle beide waren?«
    Jeorje nickte. »Und lasst uns nicht vergessen, dass es

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