Das Flüstern der Nacht
gab Jardir zu bedenken.
Abban zuckte die Achseln. »Vielleicht wurde das Wasser bitter, als der Fluss immer seichter wurde, weil es sich mit Schlamm vom Grund vermischte. Egal, ob es an Krankheit oder Hunger lag, auf jeden Fall waren die Bahavaner wohl nicht mehr in der Lage, ihre Siegel instand zu halten.« Er deutete auf die tiefen Kratzspuren in den Lehmziegelwänden mancher Häuser.
Kaval wandte sich an Jardir. »Durchsucht das Dorf nach Überlebenden«, ordnete er an. Jardir verneigte sich, ging zu seinen nie’Sharum und teilte sie in Zweiergruppen ein, die er auf die verschiedenen Etagen schickte. Die Jungen sausten die ungleichen Treppenstufen genauso leichtfüßig hoch wie sie auf den Mauerkronen des Labyrinths herumturnten.
Es stellte sich schnell heraus, dass Abban Recht gehabt hatte. In fast jedem Gebäude fanden sich Spuren von Dämonen, Krallenspuren an Wänden und Möbeln, und überall gab es Hinweise auf Kämpfe.
»Aber nirgendwo liegen Leichen«, bemerkte Abban.
»Sie wurden gefressen«, behauptete Jardir und wies auf eine Stelle am Boden, an der sich etwas befand, das aussah wie schwarzer Stein, aus dem ein paar weiße Stückchen herausragten.
»Was ist das?«, fragte Abban.
»Dämonendung«, klärte Jardir ihn auf. » Alagai verschlingen ihre Opfer mit Haut und Haaren, und die Knochen scheißen sie aus.« Abban schlug sich eine Hand vor den Mund, aber das reichte nicht. Er rannte an eine Seite des Zimmers und übergab sich.
Sie meldeten ihre Entdeckungen Exerziermeister Kaval, der nickte, als sei er keineswegs überrascht. »Geh hinter mir her, Nie Ka «, befahl er, und Jardir folgte dem Exerziermeister, der auf dama Khevat zusteuerte, in dessen Gesellschaft sich der kai’Sharum befand.
»Die nie’Sharum bestätigen, dass es keine Überlebenden gibt, dama «, erklärte Kaval. Der kai’Sharum bekleidete einen höheren Rang als er, aber Kaval war ein Exerziermeister und hatte vermutlich jeden Krieger ausgebildet, der an dieser Expedition teilnahm, einschließlich des kai’Sharum . Eine Redewendung lautete: Die Worte des roten Schleiers wiegen schwerer als die des weißen.
Dama Khevat nickte. »Die alagai haben den Boden mit einem Fluch belegt, als sie die Siegel durchbrachen und die Geister der toten khaffit in dieser Welt einkerkerten.« Er blickte zu Kaval hinauf. »Das Erlöschen des Mondes steht kurz bevor. Die ersten beiden Tage und Nächte verbringen wir damit, das Dorf herzurichten und zu beten.«
»Und was geschieht während der dritten Nacht der Neumondphase?«, hakte Kaval nach.
»In der dritten Nacht tanzen wir den alagai’sharak «, bestimmte Khevat, »um den Boden zu weihen und die gefangenen Geister der khaffit zu befreien, damit sie wiedergeboren werden und darauf hoffen können, Zutritt in eine bessere Kaste zu erlangen.«
Kaval verneigte sich. »Selbstverständlich, dama «, erwiderte er, spähte die Treppen und Gebäude hinauf, die in die Felswand hineingehauen
waren, und nahm den darunterliegenden weiträumigen Hof in Augenschein, der zum Flussufer hinabführte. »Hier müssen wir hauptsächlich mit Lehmdämonen rechnen«, schätzte er, »aber ein paar Wind- und Sanddämonen werden sicher auch auftauchen.« Er richtete das Wort an den kai’Sharum . »Mit deiner Erlaubnis lasse ich die dal’Sharum im Hof Dämonengruben ausheben und mit Siegeln sichern. Auf den Treppen sollen sie Hinterhalte anlegen, von dort aus die alagai die Felswand hinunterstürzen. Dann stecken sie in den Gruben, wo sie den Sonnenaufgang erwarten können.«
Der kai’Sharum nickte, und der Exerziermeister wandte sich an Jardir. »Schick die nie’Sharum los, damit sie sämtliches Zeug aus den Häusern holen, das sich zum Bau von Barrikaden eignet.« Jardir nickte knapp und wollte gleich loshetzen, aber Kaval hielt ihn am Arm fest. »Pass auf, dass nicht geplündert wird«, warnte er ihn. »Alles muss dem alagai’sharak geopfert werden.«
»Wir beide räumen die erste Etage leer«, teilte Jardir Abban mit.
»Sieben ist eine glücklichere Zahl«, meinte Abban. »Lass Jurim und Shanjat die erste Etage ausräumen.«
Zweifelnd blickte Jardir auf Abbans Bein. Abban hatte es geschafft, das Marschtempo durchzuhalten, aber er humpelte immer noch, und häufig sah Jardir, wie er sich das Bein massierte, wenn er sich unbeobachtet fühlte.
»Ich dachte, wenn wir uns die erste Etage vornehmen, hättest du es mit deinem immer noch nicht ganz verheilten Bein leichter«, erklärte Jardir.
Abban
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