Das Flüstern der Nacht
der khaffit sah Dinge, die kein anderer Mann auch nur wahrnahm; und diese Erkenntnisse waren für Jardir ungeheuer wichtig, wenn er den Sharak Ka gewinnen wollte.
Er legte eine Hand auf Abbans Schulter und lächelte traurig. »Ich weiß, dass du zweifelst, mein Freund, aber wenn du schon nicht an den Schöpfer glaubst, denn vertraue wenigstens auf mich.«
Abban verneigte sich. »Natürlich. Aber auf alle Fälle solltest du es vermeiden, deine anderen Gemahlinnen zu erwähnen. Ihre Mutter verriet mir, dass Meisterin Leesha eifersüchtig ist wie ein Gewittersturm.«
Jardir nickte; es überraschte ihn keineswegs, dass eine solche Frau ihren eignen Wert kannte und von anderen Frauen erwartete, dass sie ihr Platz machten. Deshalb begehrte er sie nur umso mehr.
Nur halbherzig führte Rojer seine Schüler durch ihre Übungen. Sie hatten sich ein wenig verbessert, aber jedes Mal, wenn Kendall sich zu ihrem Fiedelkasten hinunterbeugte, konnte er die Spitzen der Narben sehen, die über ihre Brust verliefen. Dämonennarben mochten ja ein Zeichen der Ehre sein, aber sie erinnerten Rojer auch daran, wie viel seine Schüler noch lernen mussten, bevor sie in der Nacht von wirklichem Nutzen sein konnten. Er wartete sehnsüchtig auf die Ankunft der Lehrer, die die Jongleurgilde abgestellt hatte.
Ein Stück weiter trainierten die Holzfäller auf dem Friedhof der Horclinge. Es gab noch massenhaft Arbeit, ehe das neue Großsiegel fertig war, doch solange die Krasianer auf der Lichtung kampierten, hatte keiner der Holzfäller große Lust, die Plackerei auf sich zu nehmen. Gared ließ sie in Gruppen durch die Stadt patrouillieren, und der Rest hatte sich auf dem Friedhof versammelt, um zu trainieren und sich bereitzuhalten, sollte man ihre Unterstützung brauchen. Leesha würde schäumen vor Wut, wenn sie sah, dass die Arbeiten am Großsiegel liegenblieben, doch trotz allem, was sie selbst mitgemacht hatte, war sie immer noch viel zu vertrauensselig.
Ein Ruf wurde laut, und als Rojer hochblickte, sah er, dass sich der krasianische Anführer näherte, gefolgt von seinen beiden Leibwachen, Hasik und Shanjat. Alle drei Männer trugen ihre Schilde und Speere auf dem Rücken, doch während Jardir gelöst und heiter wirkte, machten die beiden Krieger den Eindruck, als fühlten sie sich von Feinden umzingelt. Unbewusst verkrampften sich ihre Hände, als jucke es sie in den Fingern, nach dem Speer zu greifen.
Jardir steuerte auf Rojer zu, und Gared stieß einen Schrei aus, während er und ein paar Holzfäller loshetzten und sich den Krasianern in den Weg stellten. Jardirs Leibwächter hatten sofort Speer und Schild in den Händen und gingen in Kampfpose. Die Holzfäller hoben ihre eigenen Waffen, und ein Zusammenprall schien unvermeidlich.
Aber Jardir wirbelte herum und schrie Holzfäller wie Sharum gleichermaßen an: »Wir sind Meisterin Leeshas Gäste! Zwischen unseren Völkern wird kein Blut vergossen, es sei denn, sie entscheidet es so!«
»Dann sag deinen Männern, sie sollen ihre Speere auf den Boden legen!«, brüllte Gared, in einer Faust seine Axt, in der anderen die Klinge. Dutzende von Holzfällern rannten über den Friedhof der Horclinge und sammelten sich hinter seinem Rücken, doch Hasik
und Shanjat schien das nicht zu kümmern - sie waren bereit, es mit der ganzen Meute aufzunehmen. Und nachdem Rojer die krasianischen Kämpfer in Aktion gesehen hatte, ging er davon aus, dass sie mehr austeilen als einstecken würden.
Doch dann schrie Jardir etwas auf Krasianisch und seine Leibwächter steckten die Speere in die Halterungen zurück, obwohl sie die Schilde in der Hand behielten.
»Ich sagte nicht, sie sollen die Speere wegstecken, ich sagte, sie sollen sie auf den Boden legen !«, donnerte Gared.
Jardir lächelte. »Von Gästen wird nicht verlangt, dass sie ihre Klingen an der Tür abgeben, Gared, Sohn des Steave.«
Gared öffnete den Mund zu einer Entgegnung, aber Rojer kam ihm zuvor.
»Du hast natürlich Recht«, rief er mit lauter Stimme. »Steck deine Axt zurück«, befahl er dem Hünen.
Gareds Augen weiteten sich. Zum ersten Mal erteilte Rojer ihm in der Öffentlichkeit einen Befehl, und er war sich keineswegs sicher, ob er ihn ausführen sollte, denn wenn er seine Axt in die Rückenschlaufe zurücksteckte, würde jeder andere Holzfäller seinem Beispiel folgen.
Ihre Blicke trafen sich, und Gared versuchte, Rojers Willen zu brechen. Aber Rojer war ein Schauspieler; sein Gesicht nahm mühelos die harten Züge
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