Das Flüstern der Nacht
der Nähe zu haben, sollte ihren Gemahl die Lust überkommen. Viele Krasianer hielten sich solche Weiber, doch Abban hatte diese Art von Faulenzerei nie geduldet und erwartete von seinen jüngsten und hübschesten Frauen, dass sie sich genauso schwer abrackerten wie alle anderen.
Während sie den abgelegenen Pfad zum Dorf entlanggingen, wandte sich Abban Elona zu. »Ich bete zu Everam, dass meine Fehleinschätzung eurer Traditionen dich und deinen Gemahl nicht nachhaltig gekränkt hat.«
Elona schüttelte den Kopf. »Bei uns geht es nicht viel anders zu als bei euch. Allerdings sind es hier die Mütter , die eine Ehe arrangieren, der Vater muss sie dann nur noch gutheißen. Erny wird
keiner Verbindung zustimmen, ehe der Brautpreis nicht ausgehandelt ist.«
Abrupt blieb Abban stehen; endlich hatte er verstanden. »Ja, sicher. Leider ist die Mutter meines Herrn, Kajivah, mitsamt seinen Gemahlinnen noch in Everams Füllhorn. Darf ich an ihrer Stelle die Verhandlungen führen?«
Elona nickte, doch sie hob skeptisch eine Augenbraue. »Er ist bereits verheiratet?«
»Selbstverständlich! Ahmann Jardir ist der Shar’Dama Ka !«
Elona runzelte die Stirn. »Sag ihm, er soll sich hüten, diese anderen Gemahlinnen jemals vor meiner Tochter zu erwähnen. Das Mädchen ist eifersüchtig wie eine Gewitterwolke.«
Abban nickte. »Danke. Ich werde ihm deinen klugen Rat ausrichten. Deine Tochter ist noch Jungfrau, nehme ich an?«
»Natürlich, was dachtest du denn?«, fauchte Elona.
Abban neigte demütig den Kopf. »Bitte, fasse es nicht als Beleidigung auf. In Krasia untersucht die Erste Gemahlin eines Mannes persönlich seine zukünftigen Bräute, um sich von deren Unberührtheit zu überzeugen. Aber wenn dies bei Euch nicht Sitte ist, genügt dein Wort.«
»Es ist so sicher wie der Horc, dass sich bei uns eine Frau nur von ihrem Ehemann und einer Kräutersammlerin zwischen die Beine gucken lässt, und von niemand sonst!«, schimpfte Elona. »Also kommt gar nicht erst auf den Gedanken, du und dein Herr, von der Milch zu kosten!«
»Auf gar keinen Fall«, erwiderte Abban und verneigte sich. Jetzt, wo das Feilschen begonnen hatte, konnte er wieder aufrichtig lächeln.
Wie ein gefangenes Tier wanderte Jardir in seinem Pavillon hin und her, während er auf Abbans Rückkehr wartete.
»Was hat er gesagt?«, überfiel er den khaffit , kaum dass er das Zelt betreten hatte. »Ist alles beschlossen?«
Abban schüttelte den Kopf, und Jardir atmete tief durch, um die Enttäuschung zu umarmen und sie aus sich herausströmen zu lassen, ohne dass sie ihn treffen konnte.
»Meisterin Leesha gleicht doch mehr einer dama’ting als ich dachte«, erläuterte Abban. »Es steht ihr frei, sich ihren Ehemann selbst auszusuchen, obwohl du trotzdem einen Brautpreis entrichten musst, um den Segen ihres Vaters zu bekommen.«
»Ich zahle jeden Preis«, versicherte Jardir.
Abban verneigte sich. »Das sagtest du bereits, aber ich, dein bescheidener Diener, habe dennoch mit Verhandlungen begonnen, um die Auswirkungen, die dieser Bund auf deine Schatzkammer haben dürfte, möglichst gering zu halten.«
Jardir wedelte irritiert mit der Hand. »Darf ich jetzt selbst mit ihr sprechen?«
»Ihr Vater hat dir seine Erlaubnis erteilt, um sie zu werben«, bestätigte Abban. Jardirs Gesicht strahlte auf; er schnappte sich seinen Speer und stellte sich vor einem versilberten Spiegel in Positur, um sich zu betrachten.
»Was wirst du ihr sagen?«, erkundigte sich Abban.
Jardir sah ihn an. »Ich habe keine Ahnung«, gab er offen zu. »Aber dies ist Everams Wille, deshalb vertraue ich darauf, dass ich die richtigen Worte finde, wie auch immer ich mich ausdrücken werde.«
Abban legte die Stirn in Falten. »Ich glaube nicht, dass das der vielversprechendste Weg ist, Ahmann.«
Jardir musterte Abban prüfend; er wusste, dass das Ungesagte das Wichtigste war. In diesem Punkt ähnelte er dem Par’chin . Er war höflich. Tolerant. Und äußerst skeptisch.
Während Jardir seinen alten Freund ansah, empfand er großes Mitleid mit ihm; endlich begriff er, was es bedeutete, ein khaffit zu sein. Everam sprach nicht zu diesen Menschen. Abban mochte
den Namen des Schöpfers in jedem zweiten Satz nennen, aber er hatte niemals wirklich Seine Stimme gehört oder das erhebende Gefühl verspürt, wenn er sich Seinem Göttlichen Willen unterwarf. Nur der Profit sprach zu Abban, und er würde auf ewig dessen Sklave sein.
Aber das gehörte ebenfalls zu Everams Plan, denn
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