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Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
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als du. Wenn du das vergisst, wenn du auch nur einen Augenblick lang aufhörst, sie zu respektieren, dann kriegen sie dich. Das bedeutet, dass du jeden möglichen Vorteil nutzen musst, und sich vor ihnen unsichtbar zu machen ist ein gewaltiger Trumpf.«
    »Und wieso ziehst du den Umhang nie an?«, schleuderte sie ihm entgegen.
    »Weil ich ihn dir geschenkt habe.«

    »Dämonenscheiße! Du hast in deinen Taschen danach gekramt, als hättest du ihn seit Wochen nicht mehr gesehen! Ich wette, du hast ihn kein einziges Mal getragen!«
    »Hier geht es nicht um mich, Ren. Ich mache das hier schon viel länger als du. Du berauschst dich an der Magie, und das ist gefährlich. Ich weiß das.«
    »Das sagst ausgerechnet du!«, schrie sie ihn an. »Du verhältst dich nicht anders als ich, und hat es dir etwa geschadet?«
    »Verdammt nochmal, Renna, ja, es hat mir geschadet!«, brüllte er zurück. »Bei der Nacht, in diesem Augenblick, während wir uns streiten, spüre ich, wie es mich verändert! Meine Aggressivität, meine Verachtung für die Menschen, deren Leben am Tage stattfindet! Es ist die Magie, die aus mir spricht, Renna. Dämonenmagie. Ein bisschen davon gibt dir Kraft. Aber ist die Dosis zu hoch, entfesselt sie deine wildesten Instinkte. Du wirst zu einem Raubtier!«
    Er hielt eine Hand hoch, die mit Hunderten winziger Siegel bedeckt war. »Was ich getan habe, ist widernatürlich. Als es passierte, war ich irgendwie verrückt, und ich glaube, geistig bin ich nie wieder ganz gesund geworden.« Er legte die Hände auf ihre Schultern. »Ich will nicht, dass dasselbe mit dir geschieht.«
    Renna nahm sein Gesicht in ihre Hände. »Danke, dass du dir Sorgen um mich machst.«
    Er lächelte und wollte ihrem Blick ausweichen, aber sie ließ es nicht zu. »Aber du bist nicht mein Dad und auch nicht mein Ehemann, und selbst wenn du es wärest, würde ich nicht auf dich hören. Denn mein Körper gehört nur mir allein, und ich kann damit machen, was ich will. Ich lasse mir von niemandem mehr vorschreiben, wie ich zu leben habe. Von nun an gehe ich meinen eigenen Weg.«
    Arlen runzelte die Stirn. »Gehst du wirklich deinen eigenen Weg, oder folgst du lediglich meiner Spur?«
    Rennas Augen weiteten sich vor Zorn, und jeder Muskel ihres Körpers schrie danach, sich auf ihn zu stürzen, ihn zu treten, zu
kratzen und zu beißen, bis er … Sie schüttelte den Kopf und holte tief Luft.
    »Lass mich allein«, bat sie.
    »Komm mit mir in die Burg zurück«, entgegnete Arlen.
    »Hör auf mit deiner verdammten Burg!«, schrie sie. »Lass mich endlich allein, du Sohn des Horc!«
    Arlen sah sie eine geraume Zeit an. »Wie du willst.«
    Renna verspannte die Kiefer, biss auf die Zähne und weigerte sich zu weinen, als er wegging. Sie stand auf und hielt trotz der Schmerzen den Rücken gerade, als sie ihr Messer aus den verkohlten Überresten des Dämons zog. Trotz der ungeheuren Beanspruchung war das Messer unbeschädigt geblieben, und es vibrierte immer noch vom Nachhall der Magie, als sie es abwischte und in das Futteral an ihrer Hüfte zurückschob.
    Nachdem Arlen sich entfernt hatte, stand sie noch lange da, gefangen in einem inneren Konflikt. Zwei Seiten in ihr kämpften gegeneinander. Die eine wollte in ein lautes Geheul ausbrechen, in die Nacht hineinstürmen und nach Dämonen suchen, an denen sie ihre Wut auslassen konnte. Die andere dachte darüber nach, ob Arlen nicht vielleicht Recht hatte, und dieses Grübeln drohte, sie kleinzukriegen. Jeden Moment konnte sie unter dieser Bürde weinend zusammenbrechen.
    Sie schloss die Augen, umarmte sowohl den Schmerz als auch den Zorn und löste sich von beiden Gefühlen. Es war erstaunlich, wie schnell sie ihre Gelassenheit wiederfand.
    Arlen war einfach übervorsichtig; nach allem, was sie getan hatte, traute er ihr immer noch nicht ganz.
    Unbeschwert von jeglichen Emotionen nahm sie eine Kampfstellung ein und begann mit dem ersten sharukin -Ablauf. Eine Bewegung floss über in die nächste, und sie bemühte sich, ihren Muskeln die einzelnen Stellungen so einzuprägen, dass sie ohne Nachzudenken vollzogen werden konnten. Währenddessen rief sie sich jeden Moment das nächtlichen Kampfes in Erinnerung
und suchte nach Möglichkeiten, um ihre Technik zu verbessern.
    Andere Menschen sahen in ihm vielleicht den allmächtigen Tätowierten Mann, doch Renna wusste, dass er bloß Arlen Strohballen aus Tibbets Bach war; und sie wollte verdammt sein, wenn er etwas beherrschte, das sie nicht genauso gut

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