Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Flüstern der Nacht

Das Flüstern der Nacht

Titel: Das Flüstern der Nacht Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Peter V. Brett
Vom Netzwerk:
Sie zur Gemahlin nehmen? Undenkbar. Es erfüllte ihn mit Entsetzen.
    »Wir dürfen heiraten, wenn wir es wünschen«, erklärte sie. »Die ersten dama’ting waren die Gemahlinnen des Erlösers.«
    Jardir musterte sie schweigend; die dicken weißen Gewänder verbargen jede Kontur und Rundung ihres Körpers. Unter ihrer Kopfbedeckung lugte kein einziges Haar hervor, der undurchsichtige Schleier war hoch über ihre Nase gezogen und dämpfte sogar ihre Stimme. Man sah nur ihre glänzenden, vor Leidenschaft glühenden Augen. Irgendetwas an ihnen kam ihm vertraut vor, aber das Alter dieser Frau konnte er nicht einmal raten, geschweige denn einschätzen, ob sie hübsch war. War sie eine Jungfrau? Stammte sie aus guter Familie? Es gab keinen Weg, das herauszufinden. Dama’ting wurden ihren Müttern früh weggenommen und im Geheimen aufgezogen.
    »Ein Mann hat das Recht, das Gesicht einer Frau zu sehen, bevor er sie heiratet«, sagte er schnell.
    »Nicht in diesem Fall«, lehnte die dama’ting ab. »Es spielt keine Rolle, ob meine Schönheit dich reizt oder ob mein Schoß fruchtbar ist. Deine Zukunft gleicht einem Strudel aus verborgenen Messern. Ich werde deine Jiwah Ka sein, oder du verbringst den Rest deiner Tage damit, nach deinen Feinden Ausschau zu halten, ohne dich auf meine Weissagungen verlassen zu können, die dich vor Unheil warnen.«
    Jiwah Ka. Sie wollte ihn nicht nur heiraten, sondern sie wollte die Erste unter seinen Ehefrauen sein. Eine Jiwah Ka hatte das Recht, jede Jiwah Sen , das hieß alle Frauen, die er nach ihr zu sich nehmen wollte und die ihr bedingungslos unterstanden, auf Herz und Nieren zu prüfen und gegebenenfalls abzulehnen.
    Sie hätte die absolute Kontrolle über seinen Haushalt und seine Kinder und schuldete lediglich ihm Gehorsam. Aber Jardir war
nicht so einfältig zu glauben, dass sie nicht die Absicht hegte, auch ihn zu beherrschen.
    Aber konnte er es sich überhaupt leisten, sie abzulehnen? Er fürchtete keinen Herausforderer, der ihm von Angesicht zu Angesicht gegenübertrat, aber das Wesen des Kriegs war die Täuschung, hatte Khevat ihn gelehrt, und nicht alle Männer bekämpften ihre Feinde mit Speer und Faust. Ein vergifteter Trunk oder eine Klinge in den Rücken, und trotz allem, was er bisher erreicht hatte, würde er mit so wenig Ruhm und Ehre zu Everam gehen, dass es kaum reichte, um seinen Einlass ins Paradies zu bezahlen, und für seine Mutter und Schwestern bliebe nichts mehr übrig.
    Und der Sharak Ka war nahe.
    »Du verlangst von mir, dass ich dir alles gebe, was ich habe«, stellte er mit belegter Stimme fest, und sein Mund fühlte sich plötzlich staubtrocken an.
    Die dama’ting schüttelte den Kopf. »Ich lasse dir den Sharak «, erklärte sie. »Das ist alles, worum sich ein Sharum kümmern muss.«
    Jardir starrte sie eine geraume Zeit lang an. Schließlich nickte er zum Zeichen seiner Zustimmung.

    Sobald die Vereinbarung getroffen war, verlor die dama’ting keine Zeit. Bereits nach knapp einer Woche fand Jardir sich vor dama Khevat wieder und beobachtete sie, während sie ihr Gelöbnis sprach.
    Jardir sah der dama’ting in die Augen. Wer war sie? War sie älter als seine Mutter? Jung genug, um ihm Söhne zu schenken? Was erwartete ihn, wenn sie sich in ihr Hochzeitsbett legten?
    »Ich biete mich dir dar zur Ehe, in Übereinstimmung mit den Lehren des Evejah«, intonierte sie, »aufgeschrieben von Kaji,
Speer des Everam, der an Everams Tisch sitzt, bis er in der Zeit des Sharak Ka wiedergeboren wird. Ich gelobe ehrlich und in Wahrhaftigkeit, dass ich dir ein gehorsames und treues Weib sein werde.«
    Kommen diese Worte von Herzen, fragte sich Jardir, oder ist das nur ein neuer Weg, mein Leben zu lenken, jetzt, da ich die schwarze Kriegertracht trage?
    Khevat wandte sich ihm zu. Jardir hob an und suchte nach den Worten seines Gelübdes. »Ich schwöre bei Everam«, presste er hervor, »dem Schöpfer aller Dinge, und bei Kaji, dem Shar’Dama Ka , dich in mein Heim aufzunehmen und dir ein gerechter und duldsamer Ehemann zu sein.«
    »Nimmst du diese dama’ting als deine Jiwah Ka an?«, fragte Khevat, und etwas in seinem Tonfall erinnerte Jardir daran, was der dama gesagt hatte, als Jardir ihn bat, die Zeremonie durchzuführen.
    Bist du dir auch sicher, dass es wirklich dein Wunsch ist?, hatte Khevat sich eindringlich erkundigt. Eine dama’ting ist keine gewöhnliche Frau, der du Befehle geben und die du schlagen kannst, wenn sie nicht gehorcht.
    Jardir schluckte.

Weitere Kostenlose Bücher